Im Atomkonflikt: „Die Bevölkerung hat nichts zu sagen“

Prominente Reformer trauen sich immer mehr, sich in den Atomkonflikt einzumischen. Nach dem ehemaligen Innenminister Abdollah Nouri meldet sich nun Saeed Hajarian, prominenter Publizist und intellektueller Vordenker der Reformbewegung, zu Wort. 
„Ich bin gegen die Forderung, ein Referendum über das Atomprogramm abzuhalten“, schreibt Hajarian in einem Kommentar, der auf den Websites der Reformer veröffentlicht wurde. „Eine Bevölkerung, die von zahlreichen Problemen geplagt wird, die konsterniert ist und sich im Koma befindet, kann nicht wählen.“
Hajarian wurde 2000 Ziel eines Attentats, das dem Lager der Hardliner zugeschrieben wird. Seitdem lebt er mit schweren körperlichen Behinderungen.  Mit seiner jüngsten Wortmeldung reagiert Hajarian offenbar auf Äußerungen des ehemaligen reformorientierten Innenministers Abdollah Nouri, der im Juli vorgeschlagen hatte, die Bevölkerung über das iranische Atomprogramm und den daraus resultierenden Konflikt mit dem Westen abstimmen zu lassen.
„Weise Entscheidung“ zur Rettung der Nation

Said Hajarian. Foto: www.daneshjoonews.com.
Said Hajarian. Foto: www.daneshjoonews.com.

Nouri sprach davon, dass die „Schwierigkeiten, Nachteile und der Druck“, die aufgrund des Atomprogramms auf dem Iran lasteten, ein akzeptables Limit überschritten hätten. Er forderte die Machthaber auf, eine „weise und rationale“ Entscheidung zu treffen, um einen Weg aus der Sackgasse zu finden.
„Es wäre angebracht, dass Experten, unabhängig von ihrer Parteienzugehörigkeit, die Bevölkerung über die positiven und negativen Aspekte des Atomprogramms und über die Vor- und Nachteile der Fortführung des Nuklearstreits mit dem Westen unterrichten“, sagte Nouri bei einem Treffen mit Studenten und Aktivisten Anfang des Jahres. „Die Menschen sollten [danach] eine Entscheidung im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit dem Westen treffen.“
Nouris Aufforderung wurde von den Offiziellen ignoriert. Diese behaupten weiterhin, das Atomprogramm genieße große Unterstützung.
Verantwortung nicht auf Bevölkerung abwälzen
Hajarian, einst Berater von Präsident Mohammad Khatami, heizt die Debatte mit seiner Feststellung, die Bevölkerung habe von Anfang an kein Mitspracherecht in der Atomfrage gehabt, erneut an.
„Hat denn die Bevölkerung über den Beginn eines Atomprogramms abgestimmt, so dass sie jetzt über seine Fortführung abstimmen kann?“, fragt Hajarian. „Was hat das denn mit der Bevölkerung zu tun? Die Verantwortlichen stehen in der Pflicht. Warum sollen wir die Verantwortung auf die Bevölkerung abwälzen, die von Anfang an nichts zu sagen hatten?“
Abdollah Nouri. Foto: www.aftabnews.ir.
Abdollah Nouri. Foto: www.aftabnews.ir.

Hajarian und Nouri, die wegen ihrer kritischen Haltung zum religiösen Führer Ayatollah Khamenei und den Erzkonservativen um ihn Freiheitsstrafen verbüßen mussten, mögen in der Debatte über ein Referendum unterschiedliche Standpunkte vertreten. Aber  die Tatsache dass das Atomprogramm öffentlich diskutiert wird, ist an sich bereits bemerkenswert, auch wenn die Debatte voraussichtlich auf taube Ohren stoßen wird.
Referendum, altes Thema

Währenddessen berichtet das persischsprachige Programm der BBC über die Aussage des ehemaligen Atom-Chefunterhändlers Hassan Rohani, wonach in den letzten Amtsmonaten von Präsident Khatami die Möglichkeit eines Referendums über die Fortführung der Urananreicherung thematisiert worden sei. Demnach deutete Rohani an, dass die Idee „keine starken Gegner innerhalb des Establishments hatte.“

Dem Bericht zufolge äußerte sich Rohani dahingehend, dass eine „positive Abstimmung“ die iranische Verhandlungsposition gegenüber der EU gestärkt hätte. Die Möglichkeit eines Referendums sei aufgrund der anstehenden Präsidentschaftswahlen 2005 nicht umgesetzt worden.

Transparency for Iran

Viele Iraner befürworten zwar grundsätzlich das Atomprogramm, stehen den damit verbunden Kosten aber kritisch gegenüber. In einer Umfrage auf der Website des staatlichen iranischen Nachrichtensenders hatten sich am 3. Juli 60 Prozent der Teilnehmer für einen Stopp des Atomprogramms und als Gegenzug für eine schrittweise Aufhebung der internationalen Sanktionen ausgesprochen.
Der Staatssender teilte später mit, dass Computerhacker das kontroverse Ergebnis manipuliert hätten.
Golnaz Esfandiari
Quelle: RFE /RL
Übertragen aus dem Englischen von: Resa Mohabbat-Kar