Gipfeltreffen der blockfreien Staaten aus Sicht der Internetaktivisten

Der 16. Gipfel der blockfreien Staaten  fand vom 26. – 31. August in Teheran statt. Das Treffen sorgt noch Tage später für Gesprächsstoff in der iranischen Internetgemeinde. Die meisten äußern Unmut über den Gipfel, der das Image der Islamischen Republik Iran aufpolieren sollte.
In der Vorbereitung auf das Gipfeltreffen der Blockfreien Staaten (NAM) riet die Regierung Teheraner Geschäftsleuten, ihre Läden während des Ereignisses geschlossen zu halten. Die Bevölkerung sollte einige Tage die Stadt verlassen, Regierungsbehörden in der Stadt wurden geschlossen und das Militär war mit einem starken Sicherheitsaufgebot präsent. Die Stadt verwandelte sich für eine Woche in eine Hochsicherheitsburg. Einige Internetnutzer  posteten Fotos, auf denen die NAM-Sicherheitskräfte zu sehen waren.
Viele InternetaktivistInnen kritisierten die strengen Sicherheitsvorkehrungen, die meisten mit Ironie. Twitter-Nutzer Cafe schreibt: „Wenn der Sitz der Vereinten Nationen in Teheran wäre, hätte die Regierung die Stadt sicher für immer menschenleer gemacht.“
Die Welt regieren
Der iranische Präsident Mahmoud Ahmadinedschad hat in den letzten Jahren immer wieder den Wunsch geäußert, die Welt regieren zu wollen. Auch in seiner Rede zur Eröffnung des NAM-Gipfels wies er darauf hin, dass die Welt von „unfähigen“ Menschen beherrscht werde und sich das ändern müsse.
Twitter-Nutzerin Bahareh schreibt in Anspielung auf Ahmadinedschads Wunsch: „Er hat für eine Sitzung die Hauptstadt abriegeln lassen und deren Einwohner vertrieben. Will er die Welt auf dieser Weise regieren?“
Ban Ki Moon beim religiösen Führer

Ban Ki Moon bei Ali Khamenei.
Ban Ki Moon bei Ali Khamenei.

Nachdem sich der UN-Generalsekretär Ban Ki Moon für den Gipfel angekündigt hatte, forderten viele iranische InternetnutzerInnen ihn dazu auf, die Gefängnisse und die beiden Oppositionsführer Mir Hussein Musawi und Mehdi Karrubi, die seit mehr als einem Jahr unter Hausarrest stehen, zu besuchen. Eine Gruppe iranischer StudentInnen und politischer AktivistInnen startete dafür eine Facebook-Kampagne und forderte Besucher dazu auf, folgenden Brief an die UN und Ban Ki Moon zu versenden: „Ich bin ein iranischer Staatsbürger und als besorgter Iraner möchte ich Sie dazu einladen, Herrn Mir Hussein Mussawi während Ihres Aufenthalts in Teheran zum 16. Gipfel der Blockfreien Staaten zu besuchen. Herr Mussawi, der Oppositionsführer, wurde kürzlich wegen Herzbeschwerden nach 15 Monaten Hausarrest ins Krankenhaus eingeliefert … Die demokratischen Bestrebungen und die gerechten Forderungen des iranischen Volkes verdienen die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, einschließlich der Vereinten Nationen und deren Generalsekretär. Ihr Status als internationale Autorität, die mit der Verantwortung für den Schutz und die Förderung der universellen Menschenrechte betraut wurde, weist Ihnen eine besondere Rolle zu. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei der Erfüllung dieser historischen Mission.“
Kaleme, eine den Reformern nahestehende Nachrichten-Website, startete eine Online-Petition in dieser Angelegenheit, bei der mehr als 10.000 Unterschriften gesammelt wurden. Es gab jedoch keine Meldungen über einen etwaigen Besuch Ban Ki Moons bei Musawi oder Karrubi. Stattdessen ist auf der inoffiziellen Instagram-Seite des obersten Führers, Ayatollah Ali Khamenei, ein Bild von ihm und Ban Ki Moon zu sehen.  FriendFeed-Nutzer Mohammad Ahmadi, ein Regierungsanhänger, postete ebenfalls ein Foto von der Begegnung mit der Erklärung: „Ban Ki Moon verbeugt sich vor dem Führer Imam Khamenei. Alle Pläne der antirevolutionären Kräfte haben sich in Luft aufgelöst.“
Image aufpolieren
Ehefrauen der Regierungs- und Staatschefs, die an dem NAM-Gipfel teilgenommen haben.
Ehefrauen der Regierungs- und Staatschefs, die an dem NAM-Gipfel teilgenommen haben.

Ein weiterer konservativer Kommentator, Mohammad Saleh Meftah, schreibt darüber, wie Ahmadinedschads Regierung das Image des Iran verbessert habe: „Durch das Ausrichten von internationalen Gipfeln während Ahmadinedschads Präsidentschaft hat der Iran jetzt eine bessere Präsenz in der Welt als früher.“ Auf seiner FriendFeed-Seite antwortet Mohammad auf Meftahs Behauptung: „Ok, wir gehen davon aus, dass dieser Gipfel großartig und gewinnbringend ist. Aber nach diesem Gipfel, und nachdem dadurch die Gerechtigkeit in der Welt hergestellt wurde, unternimm doch bitte etwas gegen den Mangel an Gerechtigkeit in diesem Land. Danke.“ Ehsen Hadidi ist derselben Meinung: „Die zeigen Bilder von Opfern nuklearer Katastrophen auf dem Gipfel, um an den Gerechtigkeitssinn der Welt zu appellieren. Ich wünschte, es gäbe die Gelegenheit für Mohsen Rooholamini, Sohrab Arabi, Ashkan Sohrabi [Demonstranten, die während der Proteste nach den Wahlen 2009 ums Leben gekommen sind], an den Gerechtigkeitssinn der Iraner zu appellieren.“
 
Transparency for Iran

Wirbel um den ägyptischen Präsidenten<   Auf der wichtigsten Sitzung des Gipfels übergab der ägyptische Präsident Mohammad Mursi offiziell den Vorsitz der NAM an den Iran. Danach hielt er eine Rede, in der er die „Unterdrückung der syrischen Opposition“ geißelte und seine Unterstützung für die syrischen Revolutionäre bekundete. Da der syrische Präsident Assad ein enger Verbündeter des Iran ist, war die Rede hochkontrovers. Während der Übertragung der Rede lieferten Irans Staatsmedien an einigen Stellen eine falsche Übersetzung von Mursis Äußerungen. Das führte zu heißen Diskussionen im Internet. Selbst Regierungsanhänger sahen die falsche Übersetzung von Mursis Rede sehr kritisch. Hasan Meysami schreibt auf Friendfeed: „Sie sollten dem Übersetzer eine Goldmedaille überreichen. Er muss hart gearbeitet haben. Er ist offensichtlich selber ein [politischer] Analyst.“
Der bekannte Reform-Aktivist Saeed Shariati schreibt über die offensichtliche Doppelmoral: „Wenn Ihr nicht mal die Rede von Mursi authentisch übersetzen könnt oder wollt, wie könnt Ihr dann das Potential des Gipfels der Blockfreien Staaten für Euch nutzen?“
FP
Aus dem Englischen von: Resa Mohabbat-Kar
Quelle: Iran Media Programm
The Iran Media Program is a collaborative network designed to enhance the understanding of Iran’s media ecology. Our goal is to strengthen a global network of Iranian media scholars and practitioners (the Iran Media Scholars Network) and to contribute to Iran’s civil society and the wider policy-making community by providing a more nuanced understanding of the role of media and the flow of information in Iran. More.
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