Es kriselt zwischen dem Iran und der Türkei

Die Nachbarländer Iran und Türkei hatten erst im Januar beschlossen, ihre Beziehungen miteinander auszubauen und sich in verschiedenen Bereichen zu unterstützen. Doch die Weichen für die Umsetzung dieses Ziels stehen nicht gut. Der türkische Staatspräsident Erdogan hat sogar erstmals den iranischen Revolutionsführer mit scharfen Worten kritisiert.

Lastkraftwagen aus dem Iran würden an der türkischen Grenze an der Weiterfahrt gehindert, berichtete das iranische Nachrichtenportal Fars News vor wenigen Tagen. Die Türkei verlange für jeden iranischen LKW 1.000 Dollar Einreisegebühr, so der Bericht weiter: Das schädige das Transportgeschäft des Iran enorm. Zuvor hatte bereits Masoud Khaansari von der iranischen Handelskammer von „langen Schlangen iranischer LKW“ an den türkischen Grenzübergängen berichtet – und die türkische Regierung scharf kritisiert.
Dieselpreis als Auslöser
Im Iran sind die Treibstoffpreise im Vergleich zur Türkei sehr niedrig. Deshalb hatte die iranische Regierung eine Einreisegebühr für türkische LKW festgesetzt. Dafür konnten sie im Iran zum üblichen Landespreis tanken. Doch die türkische Regierung nannte diese Maßnahme „ungerecht“ – und erhob selbst eine Einreisegebühr für iranische LKW. Der Iran verdoppelte seine Gebühr, die Türkei zog nach. Daraufhin erklärte die iranische Seite sich bereit, die Maßnahme zurückzunehmen, falls die türkischen Laster im Iran nicht tanken würden. Dazu sollten deren Tanks an der Grenze versiegelt werden. Die Türkei zog wieder nach und verlangte die Versiegelung der iranischen LKW-Tanks. Ob dies von beiden Seiten tatsächlich in die Praxis umgesetzt wurde, ist allerdings nicht klar.
Verschlechterung der Beziehungen

lange Schlangen iranischer LKW an dem iranisch-türkischen Grenzübergang Bazargan
lange Schlangen iranischer LKW an dem iranisch-türkischen Grenzübergang Bazargan

Die Auseinandersetzung um den Dieselpreis fällt mit einem Konflikt zusammen, der von Experten als einmalig bezeichnet wird: Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat Mitte Oktober den iranischen Revolutionsführer Ayatollah Ali Khamenei scharf kritisiert. Es ging um die Syrien-Politik beider Länder. Der Iran ist ein langjähriger Verbündeter der syrischen Regierung von Bashar Assad, die Türkei unterstützt die syrische Opposition.
Er habe „diesen Religionsführer“ gefragt, warum er keinerlei Reaktion darauf zeige, dass in Syrien 250.000 Menschen gestorben seien, so Erdogan gegenüber Studenten der Istanbuler Marmara-Universität: „Wissen Sie, was er mir geantwortet hat? Assad sei der Einzige, der Israel feindlich gegenüberstehe. Ich fragte ihn noch einmal, was mit den Menschen sei, die in Syrien umgebracht wurden: Wann hat Assad sein Volk verteidigt und was hat er bis jetzt gegen Israel unternommen?“
Tabubruch
Viele Experten in der Türkei, etwa Arif Keskin von „Zentrum für Internationale Beziehung und Strategische Analyse“ (TURKSAM) in Ankara, sehen Erdogans Kritik an Khamenei als Tabubruch in der türkischen Politik. Seine Worte zeigten, wie tief Erdogans Vertrauen in den Iran gestört sei, so Keskin im Gespräch mit TFI. Erdogan wende sich dabei bewusst gegen Khamenei, weil dieser der alleinige Entscheidungsträger im Iran sei.
Die Islamische Republik hat auf Erdogans Rede bis jetzt nicht reagiert. Iranische Politiker wiederholten aber ihre Kritik an die Syrienpolitik der türkischen Regierung und bezeichneten die Türkei als Verbündete der Gruppe „Islamischer Staat“.
Warum unterstützt die Türkei die syrische Opposition?
Das Treffen von Ali Khamenei und Recep Tayyip Erdogan im März 2014 in Teheran
Das Treffen von Ali Khamenei und Recep Tayyip Erdogan im März 2014 in Teheran

Die Türkei wolle ihren Einfluss in Syrien erweitern, so die Analyse des Türkeiforschers Yaşar Aydin von der Hafen City Universität in Hamburg. „Die Türkei ist auf der Suche nach neuen Absatzmärkten für ihre Produkte und möchte zudem einen Sicherheitsgürtel um sich herum errichten“, so Aydin im Gespräch mit TFI. „Außerdem will sie um sich herum funktionierende Marktwirtschaften haben. Syrien ist für die Türkei wichtig als Brücke zu arabischen Staaten wie Jordanien, Palästina, Saudi-Arabien und Ägypten.“ Diese Ziele kann die türkische Regierung aber mit dem politisch angeschlagenen Alawiten Bashar Al-Assad nicht erreichen.
Die Aussichten
„Solange in Syrien Krieg herrscht und keine Lösung in Sicht ist, wird sich die Beziehung zwischen dem Iran und der Türkei weiter verschlechtern“, prognostiziert Keskin von TURKSAM. Diese Meinung teilt der Hamburger Türkeiforscher Aydin jedoch nicht. Beide Länder wüssten, dass sie aufeinander angewiesen seien, so Aydin. Daher werde der Konflikt klein bleiben und keine großen Konsequenzen haben. Der Iran und die Türkei seien pragmatische und berechenbare Länder, glaubt der Experte.
Ginge es nach dem Willen des türkischen Wirtschaftsministers Nihat Zeybekçi, würden beide Länder – wie im Januar vereinbart – ihre Wirtschaftsbeziehungen ausbauen und einander in unterschiedlichen Bereichen zur Seite stehen. „Die Türkei ist für den Iran das Tor zu Europa und umgekehrt die Islamische Republik das Tor zu Zentralasien und den Golfstaaten für die Türkei“, sagte Zeybekçi Ende Oktober. Und forderte beide Länder auf, ihre Streitigkeiten beizulegen.
TAHER SHIRMOHAMMADI