Diskriminierung durch Bildungsverweigerung

Menschenrechtsaktivisten werden im Iran von den Universitäten gewiesen. Kinder von manchen Minderheiten dürften nicht mal zur Schule gehen, sagt Sepehr Atefi. Der Menschrechtsaktivist spricht im Interview mit TFI über Bildungsdiskriminierung und die alltägliche Unterdrückung im Iran.
TFI: Was war zuletzt die Nachricht aus dem Iran, die Sie hier im Exil am meisten berührt hat?
Sepehr Atefi: Navid Khanjanis Verurteilung. Zwölf Jahre Haft für einen Freund sind an sich sehr schmerzhaft. Noch schlimmer ist aber, dass er wegen seines Engagements verurteilt wurde. In einem Rechtsstaat werden nur Menschen zu so einer Strafe verurteilt, die ein Verbrechen begangen haben, doch im Iran ist es anders. Navid Khanjani ist 23 Jahre alt und Mitglied der im Iran nicht anerkannten religiösen Minderheit der Bahai. Ihm wurde ebenso wie tausenden anderer Bahais das Recht auf universitäre Bildung verweigert. Die Regierung weigert sich, dies auf internationaler Ebene einzuräumen. Vielmehr lässt sie zum Schein die Immatrikulation weniger Bahais zu, nur um sie später wegen ihrer Religion zu exmatrikulieren.
Warum wurde Navid Khanjani verurteilt?
Aus zwei Gründen. Da sind zum einen Navid Khanjanis vielfältige Aktivitäten. Er wurde als Bahai vom Studium ausgeschlossen. Seitdem hat er sich für das Recht auf Bildung engagiert. Er ist einer der Gründer von „Population of Combat against Educational Discrimination“ (CHRR), einer Initiative gegen Diskriminierung im Bildungswesen. Khanjani ist auch Mitglied des „Komitee der Menschenrechtsreporter“ (PCID). Durch seine Aktivitäten und Interviews mit verschiedenen Medien außerhalb Irans hat er dazu beigetragen, dass das Thema Diskriminierung durch Bildung Aufmerksamkeit bekam. Der zweite Aspekt ist die Haltung der Justiz gegen Menschenrechtler generell. Die iranische Justiz hat ähnliche Urteile gegen viele Menschenrechtler wie Shiva Nazar Ahari, Saeed Jalalifar und Saeed Kalanaki gefällt. Die Regierung will mit solchen Strafen abschrecken.
Wie ist die Situation der anderen religiösen Minderheiten im Iran?

Sepehr Atefi
Sepehr Atefi

Kaum eine andere religiöse Minderheit wird im Iran so systematisch und massiv diskriminiert wie die Bahais, vor allem bei der Bildung. Andere Minderheiten wie die Sufi-Derwische und Sunniten haben auch große Probleme bei der Registrierung an Schulen und Universitäten. Migranten wie etwa Afghanen werden im Bildungsbereich benachteiligt. Ihre Kinder werden nicht einmal zur Grundschule zugelassen.
Wer sonst wird im Bildungsbereich diskriminiert?
Die iranische Regierung weist auch Menschenrechtler und politische Aktivisten von den Universitäten. Aktuelles Beispiel: Kouhyar Goudarzi, ein ehemaliger Luft- und Raumfahrttechnik-Student, ein Journalist und Menschenrechtsaktivist. Goudarzi wurde am 31. Juli zum zweiten Mal in Teheran verhaftet. Tags darauf wurde auch seine Mutter, Parvin Mokhtareh festgenommen. Bislang haben sich weder der Geheimdienst noch die Justiz dazu erklärt. Goudarzi wurde zum ersten Mal im Dezember 2009 verhaftet und ein Jahr lang in den Gefängnissen „Evin“ und „Rajai Shahr“ verhört und gefoltert. Zuvor war er vom Studium an der Sharif Universität ausgeschlossen worden. Ihm wurden „Anstiftung der Studenten zu illegalen Versammlungen“ und ein Interview mit der BBC vorgeworfen.
Was machen Sie zurzeit in Deutschland?
Ich kooperiere weiterhin mit den Organisationen CHRR und PCID im Iran. Außerdem arbeite ich mit  Zivil- und Menschenrechtlern in Berlin an verschiedenen Kampagnen für Menschenrechte im Iran. Zum Beispiel die Kampagne „Can you solve this?“
Was ist das für eine Kampagne?
Schul- und Semesterbeginn im Iran ist im Oktober. Wie jedes Jahr wird auch jetzt vielen jungen Aktivisten der Zugang zu den Universitäten verweigert. Die Kampagne soll auf die systematische Verweigerung des Rechts auf Bildung an Anhängern religiöser und ethnischer Minderheiten, Menschenrechtsverteidiger, Frauenrechtlerinnen, Studentenaktivisten, Bloggern und anderen Menschen hinweisen.
Dabei wird die Technik von „QR-Codes“ benutzt.  Damit bringen wir die Offline- und Online-Welt zusammen. Postkarten, Posters, T-Shirts und Aufkleber mit den „QR-Codes“ stellen die Frage: „Can you solve this?“ (dt: Kannst Du das lösen?). Man kann diesen Code mit Smartphones scannen und ein Rätsel lösen. Die Lösung ist eine Internet- Adresse, unter der ein Clip zu dem Bildungsthema im Iran zu sehen ist. Man kann auf der Webseite die Kampagne unterstützen, indem man Emails an den UN-Generalsekretär, UN-Menschenrechtskommissar, und den deutschen Außenminister verschickt und so zur Stimme der Menschen im Iran wird. Diese Kampagne wird unterstützt von einem Bündnis verschiedener Organisationen, wie etwa die Gesellschaft für bedrohte Völker, Mideast Youth oder das Committee of Human Rights Reporters.
Interview: Farhad Payar
 
Zur Person: Der Menschenrechtsaktivist Sepehr Atefi wurde wegen seiner Zugehörigkeit zur Bahai-Religion nicht zum Studium zugelassen.  Der 22-jähirge ist 2010 aus dem Iran geflohen und lebt seitdem in Deutschland. Er ist Mitglied des „Komitee der Menschenrechtsreporter“.