Die Windmühlen der Mullahs

Der Dollarkurs war nicht die einzige Hiobsbotschaft, die Rouhani an diesem Tag aus der Heimat erreichte. In den Stunden, in denen er sich in New York aufhielt, musste der iranische Präsident damit rechnen, dass sich der kalte Krieg zwischen seinem Land und Saudi-Arabien jeden Augenblick in einen sehr heißen verwandeln könnte.
Denn wenige Stunden vor seinem Abflug nach New York waren bei einer Terrorattacke auf eine Militärparade in der Stadt Ahwaz in der südwestiranischen Erdölprovinz Chuzestan 25 Menschen getötet und über 60 verletzt worden. Unter den Toten waren auch die drei Angreifer, die auf eine Zuschauertribüne mit offiziellen Besuchern geschossen hatten. Ein verheerender Anschlag in einer der sensibelsten und reichsten Regionen des Landes, wo eine arabische Minderheit regelmäßig für Unruhe sorgt.

Ruf der Garden ruiniert

Politisch gesehen war diese Terrorattacke auch für die omnipotenten iranischen Revolutionsgarden verheerend. Seit Jahren propagieren sie, der Iran sei das sicherste Land im Nahen Osten und diese Sicherheit verdanke man einzig und allein den Gardisten, die in vielen Ländern der Region gegen Terroristen kämpften und im eigenen Land in allen Bereichen präsent sind.
Eine Stunde nach dem blutigen Terrorakt übernahm eine Organisation namens Al Ahwasieh die Verantwortung für den Anschlag. Diese separatistische Gruppe, die sich als Sprachrohr der arabischen Minderheit im Südwest-Iran versteht, wird offenbar von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützt – sowohl medial wie auch finanziell.

„Dubai und Riad bombardieren“

Nach dieser Selbstbezichtigung setzte sich im Iran eine Maschinerie in Bewegung, die sofortige Rache forderte. Funk und Fernsehen, Freitagsprediger, Studentenorganisationen, Sprecher der verschiedenen Sicherheitskräfte und paramilitärischen Verbände, kurzum all jene, die in der Islamischen Republik ihre Stimme erheben dürfen, wünschten sich eine „heldenhafte Antwort der Revolutionsgarden“. Hossein Shariatmadari, Chefredakteur der Tageszeitung
Keyhan, der als inoffizieller Sprecher des iranischen Revolutionsführers und religiösen Staatsoberhaupts Ali Khamenei gilt, forderte bereits in der Überschrift seines Leitartikels „Raketen Richtung Riad und Dubai“.

Beim Terroranschlag in Ahwaz wurden 25 Menschen getötet!
Beim Terroranschlag in Ahwaz wurden 25 Menschen getötet!

 
Auch Hassan Rouhani hatte auf dem Teheraner Flughafen vor seinem Abflug nach New York den „kleinen Staaten in der Golfregion“ vorgeworfen, hinter dem Terroranschlag zu stehen. Am nächsten Tag nannte Khamenei diese „kleinen Staaten“ beim Namen und bezeichnete die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien als „Spielzeuge Amerikas“.
In Saudi-Arabien tagte daraufhin sofort der Sicherheitsrat und der allmächtige Kronprinz Ben Salman erklärte, sein Land wisse sich zu verteidigen und vernichtende Antworten zu geben. Ähnliche Reaktionen kamen auch aus den Emiraten. 48 Stunden lang herrschte der Eindruck, diesen kampfesfreudigen Worten würden jeden Moment Taten folgen, jederzeit könne es losgehen: Ein Krieg hing in der Luft.

IS verhindert den Krieg

Doch dann kam die Rettung. Plötzlich tauchte im Internet eine neues Bekenntnis auf. Auf wackeligen, auf YouTube veröffentlichten Bildern übernahm der „Islamische Staat“ die Verantwortung für das Attentat. Und da wendete sich das Blatt. Der verbale Krieg hörte auf, der drohende Waffengang war einstweilen vorbei – und das verdanke man dem IS, schrieben viele Kommentatoren.
Wer tatsächlich hinter dem Terroranschlag steht, wissen wir nicht, spekuliert wird in der virtuellen Welt aber viel. Es gibt sogar nicht wenige, die behaupten, die Revolutionsgarden selbst stünden dahinter, um ihre martialische Präsenz in den Städten zu rechtfertigen. Was und wer auch immer: Die Selbstbezichtigung des IS hat eine gefährliche Eskalation beendet, die unweigerlich in einen Krieg mit unabsehbarem Ausmaß hätte münden können – Ironie unserer Zeit.

„Es gibt Menschen, die den Iran gerne bombardieren wollen“

Die Gefahr eines Krieges ist damit allerdings keineswegs verschwunden. Vergangenen Freitag war der ehemalige US-Außenminister John Kerry Gastredner beim Council on Foreign Relations und er sagte offen, es werde immer wahrscheinlicher, dass es in der Region zu Konflikten komme: „Weil es Menschen gibt, die es gerne hätten, wenn die Vereinigten Staaten von Amerika den Iran bombardieren würden“, so Kerry wörtlich.

Iran gefährlicher als IS oder Al Qaida
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