„Die Iran-Politik der Bundesregierung ist nicht konstruktiv“

Vor dem Hintergrund der zunehmenden Kriegsdrohungen gegen den Iran hat die Redaktion von Transparency for Iran alle Fraktionen des deutschen Bundestags um Interviews gebeten. Den Anfang macht Dr. Frithjof Schmidt, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/ Die Grünen.
Transparency for Iran: Herr Dr. Schmidt, inwiefern werden die sicherheitspolitischen Interessen der BRD durch eine mögliche iranische Atombombe tangiert?
Frithjof Schmidt: Der Nahe und Mittlere Osten sind Nachbarregionen der Europäischen Union. Deshalb haben Deutschland und andere europäische Staaten ein besonderes Interesse daran, die zahlreichen Konflikte in der Region zu entschärfen. Sollte der Iran an eine Atombombe gelangen, so würde dies sicherlich nicht zu einer Entspannung der dortigen Konflikte beitragen. Vielmehr besteht die berechtigte Befürchtung, dass durch eine iranische Atombombe verschiedene arabische Staaten in einen nuklearen Rüstungswettlauf eintreten könnten. Auch für die Türkei lässt sich das nicht ausschließen. Aber vor allem bestünde die Gefahr einer militärischen Eskalation mit unabsehbaren Folgen für die gesamte Region und darüber hinaus. Zudem ist zu befürchten, dass sich mit dem Iran verbündete islamistische Kräfte in der Region, etwa die libanesische Hisbollah, durch eine iranische Atombombe zu einem aggressiveren Agieren ermuntert fühlen könnten.
Wie würde sich eine aus der Perspektive der internationalen Staatengemeinschaft zufriedenstellende Lösung des Atomkonflikts auf die Beziehungen des Westens zum Iran auswirken? Welche Szenarien sind denkbar?

Dr. Frithjof Schmidt, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/ Die Grünen.
Dr. Frithjof Schmidt, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/ Die Grünen.

Sollte sich der Iran bereit erklären, voll umfänglich mit der IAEO zu kooperieren, müsste die Sanktionsspirale zurückgedreht werden. Die Beziehung zum Iran ist aber nicht allein abhängig vom Atomprogramm, sondern natürlich auch von der Menschrechtssituation im Land und dem Auftreten des Irans gegenüber seinen Nachbarländern. Allerdings muss auch der Westen seine Politik in der Region grundlegend ändern. Menschenrechte und Demokratie sollten Gradmesser für den Umgang mit allen Ländern in der Region sein. In diesem Zusammenhang muss natürlich auch das Verhältnis der EU und der USA zu Saudi-Arabien und zu verschiedenen Golfstaaten auf den Prüfstand.
Wie beurteilen Sie eine mögliche militärische Intervention Israels?
Wir lehnen eine mögliche Militärintervention Israels gegen den Iran ab. Ein solcher Angriff könnte verheerende Folgen für die Region und nicht zuletzt auch für die Sicherheit Israels haben. Er würde die anti-israelischen Einstellungen in der Region weiter verstärken, die demokratischen Kräfte in den arabischen Staaten schwächen und gewaltsam ausgetragene Konflikte verschärfen. Ein solcher militärischer Angriff kann zudem das iranische Atomprogramm nicht verhindern, sondern nur verzögern. Insofern würde ein Militärschlag zum jetzigen Zeitpunkt zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden. Deshalb bleiben glaubwürdige Verhandlungsangebote und wirksame Sanktionen unserer Ansicht nach der einzige Weg, um den Iran von einer nuklearen Bewaffnung abzubringen.
Wie wird die sich zunehmend verschlechternde Menschenrechtssituation im Iran parteiintern debattiert?
Wir verfolgen die Verschlechterung der Menschenrechtssituation mit großer Sorge und haben uns zum Jahrestag des Hausarrestes für Führungspersönlichkeiten der Demokratiebewegung im Iran für die unverzügliche und bedingungslose Freilassung von Herrn Mousavi, Herrn Karoubi, Frau Rahnavard sowie alle weiteren politischen Gefangenen eingesetzt. Die eigentliche Schwäche der Politik des Westens war und bleibt die absolute Priorität der
sicherheitspolitischen Aspekte gegenüber der menschenrechtspolitischen Lage im Iran. Das haben wir immer für falsch gehalten und es ist auch heute noch falsch. Wir dürfen die Beurteilung der Lage der Menschenrechte im Iran auf keinen Fall abhängig von Fort- oder Rückschritten bei Atomverhandlungen machen. Die iranische Staatsführung sollte klar vermittelt bekommen, dass Menschenrechte keine Verhandlungsmasse sind, die man beliebig und in Abhängigkeit von der politischen Konjunktur anders bewertet.
Irans Präsident Mahmud Ahmdinedschad bei einem Treffen mit dem Bundesaußenminister Guido Westerwelle in Teheran. Foto:www.mehrnews.com
Irans Präsident Mahmud Ahmdinedschad bei einem Treffen mit dem Bundesaußenminister Guido Westerwelle in Teheran. Foto:www.mehrnews.com

Wir sehen aber auch das Dilemma, dass die Verhandlungen über das iranische Atomprogramm nur dann erfolgreich sein können, wenn der Westen glaubwürdig deutlich macht, dass es ihm darum geht, dass der Iran nicht die Verfügungsgewalt über Atomwaffen erhält, und nicht um die Einmischung in das Selbstbestimmungsrecht der Iraner, ihr Land selber zu gestalten. Wichtig ist hierbei, den eigenen menschenrechtlichen und demokratischen Prinzipien treu zu bleiben und die iranische Politik glaubwürdig aufzufordern, sich an alle internationalen Konventionen und Abkommen zu halten, die dieses Land im Laufe der vergangenen Dekaden unterzeichnet und ratifiziert hat.
Wie beurteilen Sie die Iran-Politik der Bundesregierung?
Was wir der Bundesregierung vor allem vorwerfen, ist ihre Ideenlosigkeit im Umgang mit der iranischen Staatsführung. Sie hat kein durchdachtes Konzept für den Umgang mit der iranischen Politik, sie hat bisher keine Initiativen ergriffen, die dem Gewicht und der Bedeutung Deutschlands im Iran und in der Region gerecht werden könnten. Die Bundesregierung macht eine Politik mit dem Ziel, bloß keine Fehler zu machen. Sie versteckt sich hinter solchen EU-Ländern wie Frankreich und Großbritannien. Das ist aber zu wenig, um einen positiven und konstruktiven Beitrag in der schwierigen Situation zu leisten.
Interview: Farhad Payar