Big Brother bei iranischem Abgeordneten

Zum ersten Mal seit der Gründung der Islamischen Republik vor 34 Jahren hat ein iranischer Abgeordneter Abhörgeräte und versteckte Kameras in seinem Büro gefunden. Werden jetzt auch iranische Parlamentarier vom Staat bespitzelt?
 Der Fall sorgt seit Tagen für heftige Debatten: Am 13. Juli meldete der Abgeordnete Ali Motahari auf seiner offiziellen Webseite, er habe Abhörgeräte und versteckte Kameras in seinem Büro gefunden. Er sei „zutiefst empört“. Der Parlamentarier forderte den iranischen Informationsminister auf,  unverzüglich eine Erklärung über diese „rechtwidrige Maßnahme“ vor dem Parlament abzugeben.
Tatsächlich dürfe laut iranischem Grundgesetz keine Behörde Telefone und Privatgespräche der Bürger belauschen, sagt die iranische Rechtanwältin und Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi. Der Gesetzgeber sehe aber auch Ausnahmen vor: Wenn gegen jemanden ermittelt werde, könne das Gericht in Sonderfällen Ausnahmegenehmigungen erteilen, mit denen für eine gewisse Zeit Privatgespräche dieser Person abgehört werden könnten, so Ebadi.
Reaktionen auf den Lauschangriff

Ali Motahari
Ali Motahari hat wiederholt Ahmadineschads Regierung kritisiert

Die Reaktionen auf den Abhörskandal sind sehr unterschiedlich. Der Abgeordnete Ahmad Tavakoli etwa vermutet, der Lauschangriff gegen seinen Kollegen Motahari könne nicht von offiziellen Stellen veranlasst worden sein: „Wären die Abhörvorrichtungen und Kameras von den richtigen Leuten angebracht worden, hätten wir sie nie so einfach gefunden“.
Die „amateurhafte Installation“ zeige, dass hinter dem Fall keine Profis stecken könnten, sagt Tavakoli. Er vermutet stattdessen, jemand habe „dem Ruf des Staats schaden“ wollen. Motahari sei für seine kritische Aussagen gegenüber der Regierung von Mahmoud Ahmadinedschad bekannt: „Einige wollen damit vielleicht zu verstehen geben, dass der Staat kritische Stimmen nicht duldet.“ Namen nannte Tavakoli dabei nicht.
Andere sind der Ansicht, der Fall Motahari errege nur deshalb Aufsehen, weil es sich bei dem Abgehörten um einen Abgeordneten handele. Täglich würden Journalisten und Andersdenkende „nicht nur belauscht und überwacht, sondern mit entsprechenden Aufzeichnungen bei Verhören erpresst“, sagt etwa Rechtanwältin Ebadi. Oft seien es dabei sehr private und intime Gespräche, mit denen diese Personen unter Druck gesetzt würden.
Staatlicher E-Mail-Dienst  
Kritiker befürchten die Verstärkung der staatlichen Kontrolle über die Internet-User - Foto: itsn.ir
Kritiker befürchten die Verstärkung der staatlichen Kontrolle über die Internet-User – Foto: itsn.ir

Neuerdings kann sich unter der Domain “mail.post.ir” jede Iranerin und jeder Iraner unter Angabe einer Postleitzahl registrieren lassen und einen E-Mail-Account eröffnen. Das teilte der iranische Kommunikationsminister Mohammad Hassan Nami in der vergangenen Woche mit. Zwar sei die Eröffnung eines solchen Mailkontos keine Pflicht, doch sei die Internetgeschwindigkeit der Domain zehn Mal schneller, zudem werde die  Kommunikation mit Behörden in Zukunft nur auf diesem Weg möglich sein. Kritiker befürchten daher, hinter diesem sich noch in der Pilotphase befindlichen Projekt stecke der Plan, die staatliche Kontrolle über die Internet-User zu verstärken.
Minister Nami widerspricht dem: Der Schritt sei „eine wichtige Schutzmaßnahme gegen westliche Domains wie Yahoo- oder Googlemail“, die private Daten von Usern nicht gut genug sicherten. IT-Experten wie Aziz Ashofteh sind anderer Ansicht: Das eigentliche Problem bei „mail.post.ir“ sei nicht die staatliche Kontrolle, sondern gerade die nicht vorhandene  Datensicherheit. „Mit  großer Wahrscheinlichkeit wurde das ganze System mit Roundcoupe Opensource Webmail Software programmiert. Das Programm bietet nicht genug Datensicherheit an. So kann jeder im Internet die Softwarecodes finden, das ganze System in wenigen Schritten knacken und die Daten der User stehlen“, sagt Ashofteh.