Aufwind für iranische Kinos

Der Kampf zwischen konservativen und gemäßigten Kräften im Iran zeigt sich im Kulturbereich am deutlichsten. Während es mit dem iranischen Kino bergauf zu gehen scheint, bescheinigt ein berühmter iranischer Sänger den Kulturverantwortlichen seines Landes schlechte Musikpolitik. Doch auch im Musikbereich sind kleine Fortschritte erkennbar: Eine Frauenband darf auftreten. 

Laut dem Leiter des Iranischen Kinoverbands, Hojjatollah Ayyubi, ist das iranische Kino auf einem guten Wege, sich aus seiner seit langem anhaltenden Krise zu befreien. Allein in den ersten fünf Monaten seit Beginn des iranischen Kalenderjahrs im März seien etwa neun Millionen Dollar an den Kinokassen eingenommen worden. Diese Summe entspreche den kompletten Einnahmen des Vorjahres, sagte Ayyubi der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA.
Ausschlaggebend für den Aufwind ist laut Ayyubi das neuerdings relativ entspannte Verhältnis zwischen Politik und den meisten FilmkünstlerInnen. „Derzeit erleben wir, dass im Kulturbereich positive Entwicklungen zu verzeichnen sind. Die Differenzen, die es zwischen der vorherigen konservativen Regierung und den iranischen KünstlerInnen gab, gibt es unter der neuen Administration in der Form nicht mehr“, so der Verbandsvorsitzende.
Die gute Atmosphäre müsse unbedingt dazu genutzt werden, das Kino weiter zu fördern, so Ayyubi: „Das iranische Kino hat in den vergangenen Jahren eine schwere Zeit gehabt, die von Unsicherheit und Angst geprägt war. Mittlerweile herrscht jedoch eine entspanntere Atmosphäre, in der bessere Filme produziert werden konnten. Was wiederum dazu geführt hat, dass die Menschen wieder in die Kinos strömen.“ Sorge bereitet ihm der marode Zustand vieler Kinosäle. Ein Teil dieses Problems könne gelöst werden, indem die iranische Privatwirtschaft in den Bau neuer Kinos investiere, so der Leiter des iranischen Kinoverbands.
Der Verband war unter dem ultrakonservativen Präsidenten Mahmoud Ahmadinedschad als Gegenentwurf zu dem kritischen und konservativen Eliten unliebsamen Dachverband der iranischen Filmschaffenden, Haus des Kinos, gegründet worden. Seine Aufgabe ist, jene FilmkünstlerInnen zu fördern, die islamische Wertvorstellungen propagieren und das Regime in gutem Licht darstellen. Seit dem Amtsantritt des moderaten Präsidenten Hassan Rouhani im vergangenen Jahr fährt aber auch der dem Kulturministerium unterstehende Kinoverband einen gemäßigteren Kurs.
Gesangsikone klagt über geringen Stellenwert der Musik

Shahram Nazeri: Seit Jahren leidet die iranische Musik unter der Planlosigkeit der Verantwortlichen!
Shahram Nazeri: Seit Jahren leidet die iranische Musik unter der Planlosigkeit der Verantwortlichen!

Einen schlechten Zustand bescheinigt dagegen der als „iranischer Pavarotti“ bekannte Sänger Shahram Nazeri gegenüber der Nachrichtenagentur IRNA der iranischen Musik. Seit Jahren leide diese unter der Planlosigkeit der Verantwortlichen. Während manche von jenen sichtlich bemüht seien, Musik zu fördern, setzten andere alles daran, MusikerInnen das Leben schwer zu machen, so Nazeri. Er selbst warte seit fünf Jahren darauf, ein neues Album veröffentlichen zu dürfen, klagt der Sänger. Kritik übt er auch am staatlichen Fernsehen: „Die Haltung, die Fernsehanstalten gegenüber Musik an den Tag legen, ist verstörend.“ Noch immer werde in nationalen Fernsehsendern die Darstellung von Musikinstrumenten zensiert. Dies könne kein Zustand sein, so Nazeri. Gleichzeitig lobt er jedoch die Kulturpolitik Rouhanis: „In der Regierung findet man viele, die der Musik und den iranischen MusikerInnen wohl gesonnen sind. Jedoch befinden sich diese Kräfte unter dem Druck ihrer politischen Gegner. Womöglich braucht es noch mehr Zeit, damit die iranische Musik florieren kann.“ Schiitische Rechtsgelehrte sind sich hinsichtlich der Musik im übrigen nicht einig: Während für manche Musizieren jeder Art als „haram“ (verboten) gilt, bezeichnen andere nur solche Musik als „haram“, die „freudige Gefühle auslöst“.
Frauen-Pop-Band darf in Teheran auftreten
Die Band Setareh Ghotbi darf wieder auftreten, allerdings nur vor weiblichem Publikum!
Die Band Setareh Ghotbi darf wieder auftreten, allerdings nur vor weiblichem Publikum!

Jene der Musik wohl Gesonnenen haben unterdessen einer Frauen-Pop-Band mit dem Namen Setarehe Ghotbi (Polarstern) erlaubt, am 4. und 5. September in der Teheraner Vahdat-Konzerthalle vor weiblichem Publikum aufzutreten. „Drei Jahre lang haben wir darum gekämpft, vom Kulturministerium eine Auftrittsgenehmigung zu erhalten. Jetzt wollen wir beweisen, dass iranische Frauen einen Platz in der Musik haben“, so das Gründungsmitglied der Band, Bahareh Ilchi, auf dem Webportal Honar Online. Laut Ilchi ist Setarehe Ghotbi die erste Frauenband, die seit dem Sieg der 1979er Revolution und der Errichtung einer islamischen Republik im Iran Konzerte geben darf. Die Band habe lange gebraucht, um gut genug für einen Auftritt zu sein, sagt Ilchi, denn: „Es war uns als Frauen gesetzlich nicht erlaubt, an der Teheraner Musikhochschule Schlagzeug oder elektronische Instrumente spielen zu lernen. Deswegen mussten wir unsere männlichen Kommilitonen um Privatunterricht bitten.“ Die 2009 gegründete Band besteht aus fünf Sängerinnen und zwölf Musikerinnen, die Lieder in persischer, englischer, französischer, arabischer und indischer Sprache darbieten.
Keine Gedenkzeremonie für Sadegh Hedayat
 
Die Familie von Sadegh Hedayat (Foto) bemüht sich seit  Jahren darum, zum Andenken an den verstorbenen Schriftsteller eine Zeremonie abzuhalten
Die Familie von Sadegh Hedayat (Foto) bemüht sich seit Jahren vergeblich darum, zum Andenken an den verstorbenen Schriftsteller eine Zeremonie abzuhalten

Ob konservativ oder gemäßigt: Die Regierenden im Iran dulden keine Islamkritiker. Laut Jahangir Hedayat, einem Neffen des iranischen Schriftstellers Sadegh Hedayat, wird der Familie des Verstorbenen seit Jahren untersagt, für den berühmten Autor eine Gedenkveranstaltung abzuhalten. „Seit fast zehn Jahren bemühen wir uns darum, zum Andenken an meinen Onkel eine Zeremonie abzuhalten. Doch stoßen wir immer wieder auf den Widerstand der Behörden, deren Kreativität keine Grenzen dabei kennt, Gründe zu finden, unser Anliegen abzulehnen“, klagt Hedayat. Sadegh Hedayat, der 1951 im Alter von 48 Jahren in Paris Selbstmord beging, gilt als Begründer der modernen iranischen Prosaliteratur. Da er sich in zahlreichen Schriften kritisch mit der Rolle des Islams in der iranischen Gesellschaft auseinandersetzte, wurden viele seiner Bücher vom offiziellen Buchmarkt des Iran getilgt. Auch der als moderat geltende iranische Kulturminister Ali Jannati bestätigte jüngst, dass die Werke des Schriftstellers im Iran nicht veröffentlicht werden dürfen. Aus Sicht religiös-konservativer Literaturwissenschaftler und iranischer Behörden verletzen seine Werke islamische Prinzipien.
  JASHAR ERFANIAN