Atomdeal in Lausanne – Fact Sheets oder Shit Facts?

Obamas Sicherheitsdoktrin
In einem am 5. April 2015 in der New York Times erschienen Interview erklärt US-Präsident Barack Obama auf die Frage, ob der Iran militärisch nicht abzuschrecken sei: „Wir sind stark genug, um dieses Vorhaben zu testen, ohne uns in Gefahr zu bringen. Das ist es, was die Leute nicht zu verstehen scheinen … in Bezug auf den Iran, ein größeres Land, ein gefährliches Land, ein Land, das in Aktivitäten verwickelt ist, die zum Tode von US-Bürgern geführt haben. Aber wahr in dieser Angelegenheit ist: Irans Verteidigungshaushalt beträgt 30 Milliarden Dollar. Unser Verteidigungshaushalt ist näher an 600 Milliarden. Der Iran versteht, dass er sich uns nicht stellen könnte … Sie fragen nach einer Obama-Doktrin. Meine Doktrin lautet: Wir werden uns engagieren, aber wir bewahren all unsere Möglichkeiten… Es ist selbst dann ein gutes Geschäft, wenn sich der Iran überhaupt nicht ändern sollte. Selbst für jemanden, der … wie Ministerpräsident Netanyahu glaubt, dass es keinen Unterschied zwischen Rouhani und dem obersten Führer gebe und sie alle hartnäckig antiwestlich, antiisraelisch und ausdauernde Lügner und Betrüger wären – selbst wenn alle das glaubten, ist es immer noch richtig, das zu tun, was wir tun.“
Die offene Zukunft des Atomdeals
Das Ziel der Gruppe 5+1, den atomaren Zahn des Iran bereits vor seinem Durchbruch zu ziehen, scheint mit den Vereinbarungen in Genf vom November 2014 und Lausanne im April 2015 durchführbar zu sein. Zumindest ist für die nächsten 15 Jahre mit dem Nachwachsen dieses Zahnes nicht mehr zu rechnen. Die getroffenen Vereinbarungen könnten jedoch zum jetzigen Zeitpunkt nach Äußerungen iranischer Verantwortungsträger nicht als haltbare Lösungen bewertet werden.

Die Sanktionen des Sicherheitsrates betreffen nicht nur die Atomfrage: Sie sind auch gegen das iranische Raketenprogramm gerichtet!
Die Sanktionen des Sicherheitsrates betreffen nicht nur die Atomfrage: Sie sind auch gegen das iranische Raketenprogramm gerichtet!

Außenminister Zarif und Ali Akbar Salehi, der Leiter der iranischen Atomenergie-Organisation, erklärten in Reaktion auf die Kritik der Militärs und Fundamentalisten wiederholt: “Sollten die Verhandlungen scheitern, kehren wir innerhalb von 24 Stunden auf den vorherigen Stand der Urananreicherung zurück. Was die Amerikaner über die Aufhebung der Embargos gesagt haben, widerspricht dem tatsächlichen Ergebnis unserer Verhandlungen: Die amerikanische Version dient nur der Beruhigung der Kritiker Präsident Obamas.” Die Amerikaner erklären ihrerseits, sie hätten nie gesagt, dass die Embargos über Nacht aufgehoben würden. Der Zeitplan für die Aussetzung verschiedener Embargobereiche müsste ausgehandelt werden. Für die vorläufige Aussetzung der Embargos bedürfte der Präsident zum jetzigen Zeitpunkt nicht der Zustimmung des Kongresses. Nach einer längeren Überprüfung der iranischen Vertragstreue würde die totale Aufhebung der Embargos erwogen. Entgegen der zeitlichen Vorstellung der Amerikaner wollen die Iraner ihre vertraglichen Verpflichtungen bereits in einigen Monaten erfüllt haben. Dann sollten alle Embargos auf einmal aufgehoben werden und nicht sukzessive später.
Netanyahu “hilft” Zarif, Khamenei pokert weiter
Bis zum 9. April hatte Revolutionsführer Khamenei zum Ergebnis der Lausanner Verhandlungen geschwiegen. Neben der hohen Begeisterung der Bevölkerung gab es im Iran auch Proteste von radikalkonservativen Abgeordneten und Anhängern des früheren Präsidenten Ahmadinejad. Die Situation änderte sich jedoch nach der radikalen Opposition des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu gegen die Lausanner Vereinbarung und seiner Ankündigung, eine Mängelliste dieser Vereinbarung für den Zweck der Lobbyarbeit und Verhinderung einer endgültigen Atomvereinbarung mit dem Iran im Juli oder auch zum Zwecke ihrer radikalen Änderung zu erarbeiten. Plötzlich wollten die radikalen islamischen Gegner des Atomdeals nicht mit Herrn Netanyahu in einem Boot sitzen, zumal Khamenei verschiedentlich der Verhandlungsdelegation sein Vertrauen ausgesprochen hatte. Nach und nach erklärten die obersten Autoritäten und Gegner einer Versöhnung mit den USA in den Medien ihren Dank für die gute Verhandlungsführung der Regierungsdelegation. Mit dem Lobgesang fing am 7. April der Oberkommandierende der Streitkräfte an. Ihm folgten dann nach und nach der Befehlshaber der Revolutionsgarden, der Parlamentspräsident und schließlich auch die oberste Justizautorität des Landes.
Interessanterweise werden sie alle dem Lager Khameneis zugerechnet. Es besteht kein Zweifel daran, dass diese wichtigen Funktionsträger der Islamischen Republik auf sein Geheiß ihre Schuldigkeit getan haben. Ebenso wie Obama hat scheinbar auch Khamenei eine strategische Entscheidung getroffen. Er braucht den Verhandlungserfolg in der Atomsache, um sich nach innen und in der Region Luft zu verschaffen. Sein Engagement in Syrien, Irak, Libanon, Jemen und Gaza benötigt finanzielle Ressourcen, die das Land wegen der Embargos nicht mehr hat. Ungewollt ist er außerdem in Irak und Syrien zuweilen Kampfpartner der USA gegen den “Islamischen Staat“ geworden. Das alles bringt ihn in eine Zwickmühle. Er hat aber noch nicht die Courage, seine Motive offen darzulegen. Stattdessen sucht er die sichere Nische des Beobachters. Am 9. April, also eine Woche nach Ende der Lausanner Gespräche, erklärte er bei einer religiösen Feier: “Sie fragen sich, warum er (Khamenei) in der Atomsache noch keine Position bezogen habe. Die Antwort lautet, es gibt keinen Anlass für eine Positionierung. Die Verantwortlichen sagen, es sei noch nichts erledigt, es gebe kein bindendes Abkommen. Alles liegt in den Details. Die untreue Gegenseite könnte unser Land in Details verfangen. Mir und anderen jetzt zu gratulieren, ist bedeutungslos. Was bisher geschehen ist, garantiert weder den Grundsatz einer Einigung noch die Übereinstimmung über ihre Inhalte. Es ist auch nicht gesichert, dass die Gespräche zu Ende geführt werden. Ich bin besorgt über die Lausanner Erklärung und ihr Ergebnis.” Unmittelbar nach der Rede des Revolutionsführers erklärte Präsident Rouhani, der Iran werde keine Übereinkunft unterschreiben, es sei denn, alle Sanktionen würden gleich am ersten Tag ihrer Erfüllung aufgehoben. Was bleibt, ist die Hoffnung der Welt, dass alles noch gut sein werde!
 MEHREN BARATI