Ägyptens Krise aus Sicht der Iraner

Was denken die IranerInnen über die Unruhen in Ägypten? Die Regierung bezeichnet die Absetzung Mohammed Mursis als „Fehler“, die meisten iranischen InternetaktivistInnen hingegen bewerten sie positiv. 
Nach der Amtsenthebung des ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi durch das Militär diskutieren iranische Internetuser heftig über die politischen Entwicklungen in Ägypten. Die meisten betrachten die Geschehnisse in dem Land als klares „Nein“ zu einem islamischen Staat.
Der Blogger Rasanaavand schreibt: „Die Ägypter wollen genau wie das iranische Volk keinen islamischen Staat.“ Das ägyptische Volk habe aus dem islamischen Staat im Iran eine Lehre gezogen und wolle dieses Staatsmodell auf keinen Fall. Die Ägypter demonstrierten, „um ihre wirtschaftlichen Lage zu verbessern, aber auch gegen eine theologische Diktatur und für mehr Freiheit“, so Rasanaavand.
Der Blogger Andisheh betitelt seinen Text mit der Frage: „Ägypten: Putsch oder Unterstützung des Volkes durch das Militär?“ Andisheh meint, es sei zwar immer besser, politischen Wechsel durch Wahlen zu erzielen. Doch in Ägypten habe das Militär die Forderungen der Bevölkerung stärken wollen. Es habe die Gefahr der Gründung eines islamischen Staates bestanden: „In einer wahren Demokratie hat jeder Mensch, unabhängig von seinem Glauben, die Chance, sich in die Politik einzumischen“, so Andisheh. Die Trennung von Religion und Staat sei ein wichtiger Schritt in Richtung Demokratie.
Regierung kritisiert das Militär

Der Iranische Präsident Mahmoud Ahamdinedschad (re) und Mohammed Mursi beim Treffen der Blockfreien Staaten in Teheran, Ende August 2012
Der Iranische Präsident Mahmoud Ahamdinedschad (re) und Mohammed Mursi beim Treffen der Blockfreien Staaten in Teheran, Ende August 2012

Die iranische Regierung steht den Entwicklungen in Ägypten skeptisch gegenüber. Erst einige Tage nach dem Beginn der dortigen Unruhen äußerte sich am Sonntag der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Abbas Araghchi, zu den Ereignissen. Araghchi bezeichnete die Einmischung des Militärs in politische Angelegenheiten und die Absetzung von Präsident Mursi als „Fehler“. Die Zukunft eines gewählten Präsidenten dürfe nicht auf der Straße entschieden werden. Der Iran werde die politischen Entwicklungen in Ägypten sehr sorgfältig verfolgen und sei besorgt über die Zukunft des Landes, so Araghchi weiter. Die „nationale Einheit Ägyptens“ sei in Gefahr. Zudem befinde sich der gesamte Nahe Osten politisch in einer „sensiblen Phase“. Die „Krise“ in Ägypten könne negative Auswirkungen auf die anderen Länder haben, so der Außenamtssprecher.
Teheran und Kairo
Fakt ist: Die säkularen Revolutionen treffen das iranische Regime im Kern. Eine demokratische Entwicklung losgelöst von theokratischer Herrschaft bedeutete für die Ayatollahs den Verlust ihrer Macht.
Der letzte iranische Schah Mohammad Reza Pahlavi (li) und der dritte ägyptische Präsident Anwar Sadat waren "gute Freunde" - Foto: tarikhirani.ir
Der letzte iranische Schah Mohammad Reza Pahlavi (li) und der dritte ägyptische Präsident Anwar Sadat waren „gute Freunde“ – Foto: tarikhirani.ir

Bis zum Sturz vom Präsidenten Husni Mubarak im Februar 2011 herrschte zwischen Teheran und Kairo mehr als drei Jahrzehnte lang diplomatische Eiszeit. Der Grund: Ägypten hatte im Jahre 1978 das Camp-David-Abkommen mit Israel unterschrieben und war damit aus der arabischen Allianz gegen Israel ausgestiegen. Ein Schritt, der vom damaligen iranischen Revolutionsführer Ayatollah Ruhollah Khomeini als „großer Verrat“ bezeichnet wurde. Außerdem hatte Ägypten nach der islamischen Revolution im Iran 1979 dem gestürzten Schah Mohammad-Reza Pahlavi Asyl gewährt.
Mit dem arabischen Frühling hatte sich Teheran nun mehr Einfluss in der Region erhofft. Das geistliche Oberhaupt des Iran, Ayatollah Ali Khamenei, gab den Entwicklungen im Nahen Osten sogar einen eigenen Namen: „Das Erwachen der islamischen Welt“. Die Aufstände in Tunesien und Ägypten seien „das langersehnte Ergebnis der islamischen Revolution 1979“, sagte er bei einem Freitagsgebet. Nach der Machtübernahme der Muslimbruderschaft in Ägypten und dem Aufstieg von Mohammed Mursi zum Staatschef besuchte erstmals nach mehr als 33 Jahren ein iranischer Präsident das Land. Mahmud Ahmadinedschad flog im Februar 2013 nach Kairo, um neue diplomatische Beziehungen aufzubauen.
Doch im Moment sieht es ganz so aus, als müsse sich mit dem politischen Wechsel in Kairo auch Teheran noch einmal neu orientieren.