Happy End für das iranische Kino?

Das 32. Internationale Fajr-Filmfestival in Teheran hat den Eindruck erweckt, als wolle die Regierung iranische Filmschaffende von den Einschränkungen befreien, denen diese unter Präsident Mahmoud Ahmadinedschad unterlagen. Trotz konservativer Kritik wurden Filme aufgeführt, die vormals auf dem Index standen. Präsident Hassan Rouhani kündigte an, den iranischen Film fördern zu wollen.
Seit 1982 ist das Internationale Fajr-Filmfestival ein Muss für alle iranischen Film-Fans. Aber auch Cineasten außerhalb des Gottesstaates schätzen die elftägige Reise durch die iranische Filmwelt, die seit langem mit zahlreichen renommierten internationalen Filmpreisen honoriert wird. Das Festival ist auch politisch. Denn iranischen SchauspielerInnen, RegisseurInnen, DrehbuchautorInnen und ProduzentInnen werden viele Hürden auf den Weg gelegt, die ihre Arbeit erschweren: Filmthemen werden tabuisiert, Berufsverbote ausgesprochen, fertige Werke bekommen Aufführungsverbote. Die Zensur ist allgegenwärtig.
Kritik aus der Filmbranche

Dreharbeiten von "Azar, Shahdokht, Parviz und die anderen" von Behrouz Afkhami
Dreharbeiten von „Azar, Shahdokht, Parviz und die anderen“ von Behrouz Afkhami

Dagegen wandte sich die iranische Filmwelt beim diesjährigen Fajr-Festival einhellig. Bei der Eröffnungsfeier am ersten Februar machten die Filmkünstler deutlich, dass sie von Ahmadinedschad-Nachfolger Hassan Rouhani eine andere Kulturpolitik erwarteten. Während Ahmadinedschads Präsidentschaft war der Dachverband der Filmschaffenden „Haus des Kinos“ (Khaneh Cinema) von den Behörden geschlossen worden. Stattdessen gründeten sie den Iranischen Kinoverband, geleitet von konservativen Kräften, die der Filmbranche strenge Auflagen erteilten und die Kontrolle über die Leinwände erlangten. Ihre Politik bestand vor allem in der Förderung derjenigen Filmschaffenden, die islamische Wertvorstellungen propagierten und das Regime in einem guten Licht darstellten.
Neue Weichen stellen
Das Resultat dieser Kulturpolitik war, dass viele SchauspielerInnen, RegisseurInnen und DrehbuchautorInnen keine Filme mehr drehen konnten oder wollten. Die Zahl hochwertiger Filmproduktionen ging zurück – ebenso wie die Zuschauerzahlen in den Kinos. Filmhäuser mussten reihenweise schließen. Prominente Mitglieder der iranischen Filmbranche warnten Anfang des vergangenen Jahres vor dem endgültigen Niedergang der lange international angesehenen iranischen Filmkunst.
Eine Szene des Filmes "Rastakhiz"
Eine Szene des Filmes „Rastakhiz“

Der moderate Präsident Hassan Rouhani zeigte sich bemüht, das Vertrauen der Filmschaffenden zurückzugewinnen. Kurz nach der Aufnahme ihrer Arbeit hatte seine Regierung das Verbot des „Haus des Kinos“ aufgehoben. In seinem Grußwort an das Festival distanzierte sich Rouhani von der Kulturpolitik seines Amtsvorgängers. Er wolle dazu beitragen, dass das iranische Qualitätskino eine Renaissance erlebe, so Rouhani. Die Filmkünstler rief er dazu auf, die Vergangenheit hinter sich zu lassen, eine neue Ära einzuleiten und die Zuschauer zurück in die Kinos zu holen. Der Geistliche verlangte von den Filmschaffenden aber auch, nicht nur „Negatives“ zu zeigen. Der Filmemacher Jafar Panahi, wegen Unterstützung der „Grünen Bewegung“ zu 20 Jahren Berufsverbot verurteilt, warf Rouhani in einem offenen Brief deshalb vor, den Filmschaffenden seinen Willen aufzwingen zu wollen: „Weil die Machthaber den Filmschaffenden vorschreiben wollten, wie sie zu arbeiten haben, haben die ZuschauerInnen den Kinos den Rücken gekehrt“, so Panahi.
Konservativer Zorn
Auf dem diesjährigen Fajr-Filmfestival waren auch Filme zu sehen, die bislang der Zensur zum Opfer gefallen waren. Die Aufführung von Werken wie Kianoush Ayaris „Das väterliche Haus“ und Rakhshan Bani-E’temads „Geschichten“ stieß konservativen Kulturkämpfern sauer auf. Einige Parlamentarier kündigten offizielle Beschwerde gegen die Zulassung bestimmter Filme an. Ihrer Auffassung nach verunglimpften diese islamische Werte und verherrlichten die Massenproteste der Grünen Bewegung gegen den vermeintlichen Wahlbetrug des konservativen Lagers im Jahre 2009. Besonders Reza Darmishians Film „Man Assabani nistam“ (Ich bin nicht wütend) zog den Zorn konservativer Kritiker auf sich. Er wurde zeitgleich mit dem Filmfestival auch in anderen iranischen Kinos gezeigt – und kam beim Publikum so gut an, dass viele Kinos Sondervorführungen organisierten. Die konservativen Proteste bewirkten jedoch den Stopp dieser Sondervorstellungen.
Der Film „Man Assabani nistam“ (Ich bin nicht wütend) zog den Zorn konservativer Kritiker auf sich!
Der Film „Man Assabani nistam“ (Ich bin nicht wütend) zog den Zorn konservativer Kritiker auf sich!

Die den Ultrakonservativen nahestehenden Zeitung Javan schrieb über den Film, „Möchtegernintellektuelle“ versuchen damit, „Tatsachen zu verdrehen und mit ihren Lügen zu beweisen, dass der ‚Aufruhr’ von 2009 von den Armen und den Religiösen mitgetragen wurde“. Trotz – oder vielleicht wegen – der Proteste wurde der Film beim Fajr-Filmfestival einmal öfter aufgeführt als ursprünglich geplant.
Preise für Versöhnung?
Dennoch schien die Jury des Fajr-Festivals – ganz im Sinne Präsident Rouhanis, der zur nationalen Versöhnung aufgerufen hatte – Reformer und Konservative, Moderne und Traditionelle, Religiöse und Nichtreligiöse symbolisch zusammenführen zu wollen: Der erste Preis für den besten Film ging sowohl an den bereits im Vorfeld des Festivals favorisierten humoristischen Film „Azar, Shahdokht, Parviz und die anderen“ von Behrouz Afkhami wie auch an das religiöse Filmepos „Rastakhiz“ von Ahmadreza Darvish, der die schiitische Ikone Imam Hussein behandelt.
  Sepehr Lorestani
Übertragen aus dem Pesischen: Jashar Erfanian