Ohne Bücher keine Messe

Der Iran steht derzeit vor allem hinsichtlich seiner Rolle in den Konflikten des Nahen Ostens im medialen Interesse. Doch auch die Kulturszene dort agiert momentan hochpolitisch. Eine Verlegerin boykottiert die Frankfurter Buchmesse und kritisiert die Zensur, sechs Filmschaffende machen sich für einen Atomkompromiss stark. Kulturnachrichten aus der Islamischen Republik.

Die iranische Verlegerin Shahla Lahiji wird auch in diesem Jahr zum dritten Mal in Folge auf die Teilnahme an der Frankfurter Buchmesse verzichten. „Nachdem ich 2006 den Friedenspreis der Internationalen Verleger-Union gewonnen habe, war ich Dauergast in Frankfurt. Mittlerweile sehe ich nicht, welchen Sinn meine Teilnahme haben kann“, sagte Lahiji der Nachrichtenagentur ILNA. Grund für ihren Verzicht sei die schlechte Situation der iranischen VerlegerInnen, so die Chefin des Verlages Roshangaran and Women Studies. Im Iran müssen Verlage für die Veröffentlichung ihrer Bücher eine Druckgenehmigung beim Kulturministerium beantragen. Dort werden die Texte zunächst kontrolliert und zensiert. Viele VerlegerInnen klagen über die strengen Bedingungen dabei sowie darüber, dass die vom als moderat geltenden Präsidenten Hassan Rouhani versprochenen Lockerungen der Zensur noch nicht eingetreten seien. Noch immer warte sie auf die Veröffentlichungserlaubnis für 55 Buchmanuskripte, die sie bereits vor langer Zeit beim Ministerium eingereicht habe, so Lahiji. „Ich kann aber keinen Bücherstand ohne Bücher betreiben. Wenn ich von JournalistInnen und BesucherInnen auf die Lage der iranischen Verlage angesprochen würde, könnte ich die Situation nicht einmal beschönigen, weil mein Stand ja fast leer wäre.“
Für einen Atomkompromiss
Sechs prominente iranische FilmemacherInnen haben sich im jahrelangen Atomstreit zwischen dem Iran und dem Westen mit einer Internet-Kampagne positioniert. Darin sprechen sie sich für einen Kompromiss zwischen den Streitparteien aus. „Bis zum Jahresende kann ein schwelender Konflikt, der uns alle betrifft, gelöst werden“, heißt es auf der Webseite No2NoDeal.com, die Ende September ins Leben gerufen wurde. DennLeidtragende des Konflikts sei die einfache Bevölkerung des Iran, und es gebe keinen Deal, der schlechter sein könne als „kein Deal“, so die Initiatoren der Kampagne, die auch auf Twitter und Facebook zu finden ist. UrheberInnen sind der Oscar-Preisträger Glashart Farhadi und die bekannten und einflussreichen Filmschaffenden Abbas Kiarostami, Reza Mirkarimi, Rakhshan Bani-E’temad, Majid Majidi und Mohammad Mehdi Asgarpour. Es ist nicht das erste Mal, dass iranische KünstlerInnen sich in politischen Debatten zu Wort melden. Bei kritischen Äußerungen drohen ihnen seitens der religiösen Machthaber jedoch nicht selten Berufsverbote oder Einschränkungen ihrer Arbeit.
Mirkarimi erneut ins Oscar-Rennen geschickt

Eine Szene aus dem Film "Emrooz"
Eine Szene aus dem Film „Emrooz“

Kampagnen-Mitinitiator Reza Mirkarimi kann sich indes über eine besondere Ehre freuen: Sein Film „Emrooz“ (auf deutsch: „Heute“) wurde von einem iranischen Filmkomitee in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“ ins Rennen um die berühmten Oscars geschickt.
„Emrooz“ handelt von einem iranischen Taxifahrer, der eine schwangere Frau ins Krankenhaus fährt und unverhofft zum Retter der Verzweifelten avanciert. Es ist das dritte Mal seit 2005 und 2013, dass der Iran einen Film von Mirkarimi zu den berühmten Academy Awards nach Los Angeles schicken möchte. Aus Protest gegen die englischsprachige Low-Budget-Produktion „Die Unschuld der Muslime“ wurde Mirkarimis Beitrag jedoch 2013 von der damaligen konservativen Regierung des Iran vom Wettbewerb zurückgezogen. „Die Unschuld der Muslime“, der seinerzeit in verschiedenen Sprachen auf YouTube zu sehen war, wurde von zahlreichen Medien als antiislamisch eingestuft und hat in muslimischen Ländern große Empörung hervorgerufen. Mit „Emrooz“ hoffen iranische FilmkünstlerInnen den Triumph Asghar Farhadis bei den Academy Awards 2012 wiederholen zu können, als dessen Film „Nader und Simin – Eine Trennung“ zum besten fremdsprachigen Film gekürt wurde. Ob Mirkarimis Beitrag es überhaupt bis nach Los Angeles schafft, entscheidet sich allerdings erst am 15. Januar, wenn die offiziellen Oscar-Nominierungen bekanntgegeben werden.
Neue Ausgrabungen in Persepolis
Die altiranische Residenzstadt Persepolis
Die altiranische Residenzstadt Persepolis

Iranische Althistoriker und Archäologen von der italienischen Universität Bologna haben begonnen, in der antiken Perserstadt Persepolis neue Untersuchungen und Ausgrabungen durchzuführen. Ziel des Forschungsprojektes sei es, neue Erkenntnisse über die Gesellschaft des antiken Persien zu gewinnen, so der Forschungsleiter Alireza Asgari gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA: „Zudem sind wir sehr daran interessiert, endlich herauszufinden, warum die Stadt ausgerechnet in dieser endlosen Ebene gebaut wurde und was mit Persepolis nach dem Fall der Achämeniden-Könige passierte.“ Asgari ist der Überzeugung, dass Persepolis auch für die heutige Welt von Bedeutung ist: „Historische Forschungen haben gezeigt, dass die Stadt ein Ort des kulturellen Austausches zwischen den damaligen Völkern war. Die Welt heute kann den Iran also auch als einen Ort des Friedens und des Humanismus neu kennenlernen“, so der Wissenschaftler. Persepolis, von den Iranern als „Takht-e Jamshid“ (Thron des Jamshid) bezeichnet, war eine der antiken Hauptstädte des achämenidischen Großreiches und wurde 330 v. C. von dem griechischen Eroberer Alexander dem Großen niedergebrannt. Sie gilt als wichtiges nationales Symbol des Iran. 1979 wurde sie von der UNESCO in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen.
Schmuggel antiker Kunst
Iranische Behörden haben in den vergangenen zwölf Monaten fast 6.000 antike Gegenstände konfisziert. Das erklärte Hassan Ghesmati, Kommandeur einer Polizeieinheit für die Wiederbeschaffung gestohlener archäologischer Wertgegenstände, gegenüber iranischen Medien. „3.600 antike Kunstschätze und Gegenstände haben wir allein in den vergangenen sechs Monaten bei Schmugglern gefunden“, so Ghesmati. Manche Fundstücke wie etwa seltene Münze seien „ Hunderte oder Tausende Jahre alt und deswegen überaus wertvoll“. Im Zusammenhang mit den Konfiszierungen wurden laut Ghesmati zahlreiche Schmuggler festgenommen und befragt. Im Iran sind antike archäologische Fundstücke, sofern sie älter als 100 Jahre sind, grundsätzlich Eigentum des Staates. Zufallsfunde müssen gemeldet und dürfen nur mit Lizenz ausgeführt werden. Antikenschmuggel wurde sogar schon mit dem Tod bestraft. Auch in Deutschland ist Handel mit geschmuggeltem Kulturgut verboten.
  JASHAR ERFANIAN