Trauerfeier in der Schockstarre 

Die deutsch-iranische Künstlerin Parastou Forouhar fährt jedes Jahr in den Iran, um ihrer von Geheimdienstagenten getöteten Eltern zu gedenken. Die Trauerfeier fiel in diesem Jahr mit den landesweiten Protesten im Iran zusammen. Im Gespräch mit dem Iran Journal schildert Forouhar den Verlauf der Gedenkveranstaltung und ihre Eindrücke in Teheran.
Die international renommierte Künstlerin Parastou Forouhar zählt zu den prominentesten Stimmen der iranischen Gegenwartskunst. Sie ist wegen ihres Kampfes für die Aufklärung der politisch motivierten Morde an ihren Eltern Dariush Forouhar und Parvaneh Eskandari bei den Regierenden im Iran in Ungnade gefallen. Wegen eines ihrer Kunstwerke wurde sie sogar zu einer Haftstrafe verurteilt. Dennoch setzt die Künstlerin ihre Aktivitäten zur Bewahrung der Erinnerung an ihre Eltern und an die politischen Morde im Iran in den 1990er Jahren fort – in ihren Werken, auf politischen Veranstaltungen und in internationalen Medien.
Iran Journal: Frau Forouhar, gab es auch dieses Jahr wegen der jährlichen Gedenkveranstaltung in Teheran Schikanen vonseiten der Regierung?
Parastou Forouhar: Bis vor drei Jahren war die Gedenkfeier stets verboten worden. Meine engste Familie und ich verbrachten den Tag dennoch immer im Haus meiner Eltern, dem Ort der Veranstaltung, und wurden mit Auflagen belegt – zum Beispiel durften wir das Haus nicht verlassen. Trotzdem sind jedes Jahr viele Gäste gekommen und haben, indem sie an den Absperrungen standen, sich das Recht auf Erinnerung und Würdigung der Opfer nicht nehmen lassen. Aber seit drei Jahren gibt es im Vorfeld keine Aktionen mehr seitens der Sicherheitsbehörden. Bis zum letzten Moment weiß man nicht, ob die Gedenkfeier verhindert wird oder nicht. Dieses Jahr war die Veranstaltung am 22. November von 15 bis 17 Uhr angekündigt, aber schon ab Mittag standen in der Gasse, die zum Haus meiner Eltern führt, viele Sicherheitskräfte in Zivil.
Wie verlief die diesjährige Feier?

Parastou Forouhar - Foto: aasoo.org
Parastou Forouhar – Foto: aasoo.org

Die Gedenkfeier fand diesmal mitten in den Unruhen statt. Das ganze Land befand sich in einem Ausnahmezustand. Die Unterdrückungsmaschinerie des Systems war in voller Wucht im Gange. Wir haben, genauso wie viele andere auch, gedacht, dass die Gedenkfeier verboten wird. Die Regierung hatte das Internet lahmgelegt. Wir hatten also keine Möglichkeit, per Internet einzuladen, und auch die Telefonverbindungen funktionierten nur sporadisch. Wir konnten deshalb nur eine Anzeige in der der Tageszeitung Etelaat, die auf der Seite der Todesanzeigen stand, veröffentlichen.
Es waren im Vergleich zu den vergangenen Jahren weniger Menschen bei der Feier. Beamte in Zivil haben die Besucher*innen zwar nicht schikaniert, aber sie hatten auffallend große Kameras bei sich und haben alle fotografiert – auch eine Art Einschüchterungsversuch. In den letzten zwei Jahren haben wir meiner Eltern immer schweigend gedacht, aber dieses Jahr habe ich Texte vorgelesen.
Was für Texte?
Passagen aus Texten, die ich in den letzten zwanzig Jahren geschrieben habe, Erinnerungen an meine Eltern, Texte über die wichtige Bedeutung der Erinnerung oder darüber, dass ich auf Aufklärung der politischen Verbrechen im Iran bestehe.
Wie war die Stimmung in Teheran?
Fortsetzung auf Seite 2