Molière, Schiller & Reza rocken den Iran

Für mehr demokratische Strukturen im Theaterbereich will sich auch der Schauspieler Mohammad-Ali Behboudi engagieren. Der Wahlkölner beabsichtigt, im Iran mit Unterstützung der Ernst-Busch-Hochschule für Schauspielkunst eine Theaterschule nach deren Vorbild zu gründen. Vor allem in den Bereichen Dramaturgie und Regie, wo Männer dominierten, sei es sinnvoll, Frauen stärker zu unterstützen, so Behboudi: „Die jungen Leute sind sehr neugierig und wollen wissen, wie man Theater in Deutschland macht. Es gibt unglaublich viele Schauspielerinnen und Regisseurinnen im Iran, die sehr fleißig arbeiten. Sie sind sogar fleißiger als Männer, weil sie mit so vielen Beschränkungen umgehen müssen, die Männer nicht haben. Eine Geschlechterquote von 50 Prozent in allen Fächern würde da ein deutliches Zeichen setzen.“

Ali Jalaly setzt die Frauenquote in seiner Arbeit bereits um. Bei seinen Regieworkshops zieht er prinzipiell Frauen vor und den Karl Moor Schillers „Die Räuber“ besetzte er gleich mit sechs Schauspielerinnen.

Zensur und andere Hürden

Wie in vielen Bereichen der Gesellschaft erheben auch im Theater die Frauen ihre Stimme. Eine von ihnen ist Naghmeh Samini. Die Dramatikerin wies 2014 bei einem Treffen Kulturschaffender mit Präsident Hassan Rouhani auf die prekäre Situation der Theaterleute hin: „Ich spreche für Theaterautoren, die jahrelang auf eine Antwort der Zensurbehörde warten, für Theaterregisseure, die seit Jahren mit einem Text von einem Theater zum nächsten laufen – ohne Ergebnis. Ich spreche für die Bühnenbildner, die sich ohne Finanzierung bei ihren Inszenierungen mit zwei Stühlen begnügen müssen. Ich spreche für die talentierten Theaterstudenten, denen das Wort ‚Zukunft’ sichtbar Angst macht. Sie schauen uns an und denken an Flucht; sie blicken auf die ausgewanderten KollegInnen und schweigen.“

Mohammad Ali Behboudi in dem Stück "Ich werde nicht hassen", von Izzeldin Abuelaish, unter der Regie von Ernst Konarek - Theaterhaus Stuttgart
Mohammad Ali Behboudi in dem Stück „Ich werde nicht hassen“, von Izzeldin Abuelaish, unter der Regie von Ernst Konarek – Theaterhaus Stuttgart

Während solche Proteste von den Verantwortlichen im Iran eher missbilligend zur Kenntnis genommen werden, sieht es bei den Kollegen in der Diaspora anders aus. Bei Mohammad-Ali Behboudi stoßen solche Worte auf Wohlwollen. Der Schauspieler, der sowohl im Iran als auch in Deutschland Schauspiel studiert hat, will mit der Gründung seiner Schauspielschule jungen Männern und Frauen eine profunde Ausbildung in den einzelnen Disziplinen ermöglichen, um die Position und das Ansehen der Theaterberufe zu stärken. Bis jetzt vereint das Studienfach „Theater“ Schauspieler, Regisseure, Bühnenbildner und Dramaturgen in einem einzigen Studiengang. Das gibt Studenten allenfalls einen Überblick, verhilft ihnen aber nicht zu einer sinnvollen Ausbildung in den einzelnen Berufen. Die Gründung einer Ausbildungsstätte ist allerdings ein kompliziertes Unterfangen. „Es dauert wahnsinnig lange, bis Anträge bearbeitet werden. Die Bürokratie ist kompliziert. Die Kollegen sind zwar sehr herzlich, aber letztlich glaube ich auch, dass sie sehr misstrauisch sind und Konkurrenz aus dem Ausland fürchten.“

In Teheran sind Theaterworkshops aller Art in den vergangenen Jahren zu einem profitablen Nebenerwerb geworden. Viele, die ein bisschen Erfolg haben, verdienen nebenher Geld, in dem sie Workshops anbieten. Jemand wie Mohammad Ali Behboudi, der sich für eine methodische Ausbildung über mehrere Jahre einsetzt, wirkt da suspekt. Schauspielhäuser im Iran arbeiten ohne feste Ensembles. Die Ausstattung der funktionalen Bühnen ist alles andere als üppig. Dennoch bemühen sich die vielen freien Gruppen darum, in diesen Häusern auftreten zu dürfen. Das ist für sie meist mit finanziellen Risiken verbunden, da die staatliche Unterstützung nicht ausreichend ist. Hinzu kommt, dass Proben von der Zensurbehörde überwacht werden, die SchauspielerInnen etwa vorschreibt, ob sie mit Kopftuch oder Perücke auftreten dürfen, Musik gespielt werden darf und welche Texte der aktuellen ‚political correctness‘ entsprechen.

Auch diesem Phänomen nähert sich Ali Jalaly mit pragmatischer Gelassenheit. Er hat immer gleich mehrere Stücke im Gepäck, wenn er in den Iran reist. Wenn dann so ein Sprengsatz wie Schillers „Ich fühle eine Armee in meiner Faust – Tod oder Freiheit!“ gebrüllt und gerappt von sechs Frauen ins Rampenlicht gebracht werden darf, ist das fast ein Wunder.

Der Gott des Theaters

Naghmeh Samini
Naghmeh Samini

„Denn der Gott, der uns liebt, weiß, dass ohne Kulturentwicklung der wirtschaftliche Fortschritt des Landes nicht vonstatten gehen kann. Gott weiß, dass Theaterentwicklung geistigen Fortschritt bedeutet.“ Naghmeh Saminis leidenschaftliche Rede an den Präsidenten ging – vielleicht auch ironisch – davon aus, dass es ein höheres Bewusstsein gibt, das den gesellschaftlichen Wert des Theaters schätzt. Von den Politikern fordert sie im Namen ihrer Kolleginnen „Theaterförderung, mehr Spielstätten, Theaterzeitschriften, Unabhängigkeit der Theaterinstitutionen, Aufbau einer Gewerkschaft für Theaterschaffende“. Ihr Appell ist zumindest von den zahlreichen Diaspora-IranerInnen gehört worden, die Erfahrungen im Iran einbringen.

Dass ein Bewusstseinswandel, wie Naghmeh Samini ihn erleben will, nicht von heute auf morgen einsetzt, ist Mohammad-Ali Behboudi klar: „Die iranische Gesellschaft ist noch nicht so weit, dass man alles, was man hier auf der Bühne zeigt, auch im Iran so umsetzen kann. Selbst wenn diese Politik nicht wäre.“ Es sind ExiliranerInnen wie Ali Jalaly, der mit seinen Inszenierungen immer wieder erfrischende Impulse setzt und EnthusiastInnen wie Mohammad-Ali Behboudi, die die notwendigen Strukturen schaffen wollen, um Irans Theatermacher dabei zu unterstützen, den eigenen Weg zu finden.

  YASMIN KHALIFA

Quellen und weiterführende Links:

-Willem M. Floor: The History of Theater in Iran Mage Publishers; 1st edition (June 2005)

-Mansour Khalaj: Iranische Theaterautoren (farsi), Akhtaran Verlag 2002

Classification of theater buildings in Tehearn , wikipedia.org/wiki/Al-Husain , schillertage.de/archiv , alijalaly-ensemble.de/inszenierungen , janosch-zbick.de:8000/behbouditheater.ir

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