Aufstieg und Untergang einer Musikszene

So unterhielt die Musik aus Tehrangeles die Iraner für etwa zwei Jahrzehnte. 1997 änderte sich die Situation im Iran. Der reformorientierte Politiker Mohammad Chatami wurde zum Präsidenten gewählt. Seine relativ liberale Kulturpolitik erlaubte der iranischen Popmusik, aus dem Koma zu erwachen. In kurzer Zeit tauchten Hunderte junge Sänger auf, die Musik in verschiedenen populären Stilrichtungen produzierten, Rap, Pop, Heavy Metal und so fort. Frauen war es weiterhin nicht erlaubt, vor gemischtem Publikum zu singen oder CDs zu veröffentlichen.

Bald wurde so das Monopol der Tehrangeles-MusikerInnen gebrochen. Inzwischen sind die meisten von ihnen vollkommen aus dem Wettbewerb verdrängt worden. Nur wenige konnten im Geschäft bleiben. Zu ihnen gehört Mansour. Während viele seiner KollegInnenen den Generationenwechsel im Iran ignoriert hatten, entschied er sich für die richtige Strategie: Schon früh begann er mit Dichtern und Musikern im Iran zusammenzuarbeiten, die den Geschmack der neuen Generation dort kannten. Seine iranischen Partner mussten allerdings anonym bleiben, um keine Schwierigkeiten zu bekommen.

Das Internet als Lösung

“Wir waren immer an einer Kooperation mit Leuten im Iran interessiert“, sagt Mansour. Das Problem war die Kommunikation: „Es war sehr schwierig, per Post zu kommunizieren. Aber heute ist alles einfach geworden. Man kann jeden in jeder Ecke der Welt binnen Sekunden über das Internet erreichen.“

Das Internet kam Exil-KünstlerInnen wie ihm zugute. Aber es brachte auch einige Nachteile mit sich. Das größte Problem stellt das illegale Kopieren dar. Gleich nach der Produktion eines Songs sind kostenlose Kopien im Netz erhältlich. Der Iran hat das internationale Urheberrechtsabkommen nicht unterzeichnet. Daher ist es Musikproduzenten unmöglich, strafrechtliche Maßnahmen zu ergreifen und Entschädigungen einzufordern.

Auf der anderen Seite bot die Cyberwelt auch der jungen inneriranischen Konkurrenz der Exil-MusikerInnen eine einmalige Gelegenheit. Statt sich den langen und mühsamen staatlichen Genehmigungsprozessen unterwerfen, konnten sie das Publikum nun unmittelbar über das Internet erreichen.

Ein Video-Clip des verstorbenen Morteza Pashaie – einer der beliebtesten Pop-Sänger in der Islamischen Republik
https://youtu.be/RCZzAKlMSsY

„Die Welt in einer Evolutionsphase“

“Die Musik aus Los Angeles war vom Virus der Wiederholung befallen. Nach zwei Jahrzehnten war den Exil-MusikerInnen jegliche Kreativität ausgegangen”, sagt Mohammad Zarghami, iranischer Journalist bei Radio Free Europe in Prag, über den Grund für den allmählichen Niedergang der persischen Musikszene in Kalifornien. Er beobachtet die iranische Musikszene im und außerhalb des Iran seit Jahren.

Mansour sieht die Entwicklung im Kontext der Globalisierung: “Die ganze Welt befindet sich in einer Evolutionsphase. Das Phänomen betrifft nicht nur die iranische Musikszene, auch den amerikanischen Kollegen ist Ähnliches passiert. Es gibt Underground-Künstler, die per Youtube und Itunes Erfolge erreicht haben, von dem bekannte Superstars nur träumen können.”

Kitschig, billig, altmodisch: Wie auch immer man die Popmusik made in Tehrangeles finden mag, ihre Rolle für die Unterhaltung der IranerInnen während einer der trübsten Zeiten der iranischen Geschichte darf nicht unterschätzt werden. Zarghami meint, dass die Exil-Musiker großen Einfluss auf die iranische Popmusik ausgeübt haben. “Der Einfluss ist größer, als man denkt. Auch in den 80er Jahren, als es so aussah, als ob Popmusik im Iran keinen Platz mehr hätte, kopierten viele Sänger dort die Melodien der in Los Angeles produzierten Songs für religiöse Gesänge. Was heute im Iran produziert wird, ist eigentlich eine Mischung beider Stile“, so der Exil-Journalist.

  MOHMMAD REZA KAZEMI

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