„Eine Liebeserklärung ans Kino“

Nur ein aktueller Spielfilmbeitrag aus dem Iran war bei der Berlinale 2017 zu sehen: „Tamaroz (Simulation)“, der Debütfilm des 28-jährigen Regisseurs Abed Abest, der im Forum gezeigt wurde. In dem Low-Budget-Film sind Studiowände und Requisiten grün und bleiben stets als Projektionsfläche sichtbar. Ausnahme: zwei weiße Autos und einheitlich blaue Plastikschuhe, die alle Protagonisten tragen. Ein minimalistisches Szenenbild, Dialoge in symbolisch getrennten Räumen und der Verzicht auf Maskenbild sind weitere Merkmale des Filmes. Der Regisseur im Interview.

Iran Journal: Herr Abest, Ihr Film erzählt von Langeweile, Verwirrung und Sinnlosigkeit. Ist das ein Bild der iranischen Gesellschaft heute – oder zumindest davon, wie Sie sie wahrnehmen?

Abed Abest: Nein. Alles in dem Film ist genau ausgearbeitet und klar definiert. Das ist lediglich eine neue Form des Spielfilms, die mich sehr interessiert. Ich habe den Weg zu leben von Kinofilmen gelernt. Das ist ein Liebeserklärung ans Kino.

Ihre Protagonisten erzählen Versionen ein und derselben Geschichte, die aber widersprüchlich sind.

Weil Menschen heute vieles erlebt haben – was an der Art unseres heutigen Lebens liegt – wissen wir kaum noch, was wir tatsächlich erlebt haben und was Einbildung ist. Es gibt Geschichten, die immer wieder anders erzählt werden. Menschen erinnern sich an Einzelheiten, die von der Erzählung der anderen abweichen.

Es gibt aber gemeinsame moralische Werte und Vorstellungen. Es scheint, dass die in Ihrer Geschichte völlig ausgeschaltet werden.

Es gibt unterschiedliche Definitionen von Moral. Das, was mir moralisch einwandfrei erscheint, ist für einen anderen eventuell nicht moralisch.

Nicht zu lügen ist aber doch in allen Kulturen ein moralischer Wert?

Wenn man durch Lügen Leidenschaft wecken möchte, ist das eventuell nicht ganz verkehrt.

Sehen Sie einen Unterschied zwischen sich selbst als Regisseur der dritten Generation nach der iranischen Revolution und ihren VorgängerInnen, die Ideale hatten und die Welt verändern wollten?

Ich habe keine Ideale! Höchstens, dass ich in der Lage sein will, mein Leben und die Zukunft bestmöglich zu gestalten. Mein Ideal ist, morgen besser als gestern zu sein.

Kinoplakat des Filmes "Tamaroz"
Kinoplakat des Filmes „Tamaroz“

Wie haben Sie Ihre SchauspielerInnen ausgewählt?

Ich komme vom Theater, und meine SchauspielerInnen kommen ebenfalls daher. Die meisten iranischen SchauspielerInnen haben Ausbildungen als TheaterschauspielerInnen absolviert. Das Durchschnittsalter meiner DarstellerInnen liegt bei unter 30 Jahren. Der Film ist mit Low Budget gedreht, manche Mitwirkende haben deshalb gleich zwei Aufgaben: Der Komponist ist zugleich Tontechniker, ich selbst bin Schauspieler und führe Regie, die Projektleiterin ist auch Schauspielerin. Außer im Ton und im Schnitt sind alle Mitwirkenden zum ersten Mal bei einer Filmproduktion dabei.

In Ihrem Film wird Alkohol getrunken und Cannabis geraucht, was im Iran streng verboten ist. Wie konnten Sie eine Drehgenehmigung erhalten?

Das sind Dinge, die in dem Film passieren. Das ist so, wie es ist! Es sollte sich eine Dramaturgie entwickeln aus dem Stoff der Geschichte. Ich habe eine Drehgenehmigung und auch die Genehmigung, den Film außerhalb des Iran vorzuführen. Für die Vorführung im Iran braucht man die Genehmigung einer fünfköpfigen Jury. Erst dann darf der Film dort gezeigt werden.

Vielen Dank für das Gespräch!

  Das Interview führte Nasrin Bassiri

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