Obstschmuggel als Millionengeschäft

Im Kampf gegen den Schmuggel von Obst ist die iranische Regierung überfordert: Immer mehr illegal importierte Früchte werden auf iranischen Märkten angeboten. Die Behörden sind ratlos und weisen sich gegenseitig die Verantwortlichkeit zu.
Im Iran ist die Einfuhr von einigen Südfrüchten wie Ananas, Bananen, Kokosnüssen und Mango verboten. Für den Import aller anderen Obstsorten gilt eine Genehmigungspflicht. Der iranische Zoll bittet die Obstimporteure zur Kasse – in manchen Fällen sogar um bis zu 100 Prozent des Einfuhrpreises. Außerdem bedarf das importierte Obst einer Unbedenklichkeitsbescheinigung der Pflanzenschutzbehörde, die dem Ministerium für Agrarentwicklung untersteht.
Das alles erschwere den Obstimport und führe zur illegalen Einfuhr von Früchten, kritisieren ExpertInnen. Tatsächlich findet man immer mehr frisches Obst aus dem Ausland auf dem iranischen Fruchtmarkt. Orangen aus Ägypten, Mandarinen aus Pakistan, Avocados, Birnen, Kirschen, Pfirsiche, Nektarinen, Weintrauben und vieles mehr aus Lateinamerika, etwa aus Chile und Ecuador oder auch aus Neuseeland und Australien. Das Angebot ist reichhaltig, international und die Waren sind frisch und makellos. Demnach „verfügen die Schmuggler über mit Kühlung ausgestattete Transportmittel und Lagerräume“, sagte kürzlich der stellvertretende Minister für Industrie, Bergbau und Handel Mahmud Nawabi in einem Interview mit der Nachrichtenagentur ISNA.
Rückendeckung von weit oben

Auf fast allen großen Fruchtmärkten des Iran werden einheimische und illegal importierte Obst- und Gemüsesorten angeboten
Auf fast allen großen Fruchtmärkten des Iran werden einheimische und illegal importierte Obst- und Gemüsesorten angeboten

Nach Schätzungen der iranischen Handelskammer macht das illegal eingeführte Obst 40 Prozent des Fruchtimports aus. Pedram Soltani, Präsident der iranischen Handelskammer, bedauerte dies Ende Februar in einem Interview mit der Zeitung Arman: „Leider deutet die große Menge der geschmuggelten Früchte auf die Stärke der Schmugglerbanden und die weite Verbreitung der Straftat hin“, so Soltani.
Anfang Februar berichtete die iranische Antischmuggelbehörde von etwa 122 Tonnen Obst und Gemüse, die ohne Genehmigung eingeführt und durch die zuständige Behörde in der Ostprovinz Khorasan aus dem Verkehr genommen wurden. Laut der eigenen Webseite entsorgte die Behörde nun erneut tonnenweise unter anderem Knoblauch aus China und Zitronen und Orangen aus Pakistan. Allein in den Monaten März bis Dezember 2015 hat die Antischmuggelbehörde 15.000 Tonnen Schmuggelfrüchte beschlagnahmt. Dies ist laut der Behörde, die dem Präsidentenamt untersteht, dreimal so viel wie im vergangenen Jahr.
Pedram Soltani zufolge erreicht das Volumen der Schmuggelwaren im Iran jährlich sechs Milliarden US-Dollar. Er zitierte den moderaten Präsidenten Hassan Rouhani, der hinter dem Schmuggelgeschäft staatliche Behörden vermutete. Rouhani selbst hatte die Existenz von Umschlaghäfen, die mit staatlichen Grenzbehörden kooperieren, der Öffentlichkeit preisgegeben. Sogar der konservative frühere Präsident Mahmud Ahmadineschad, der einst selbst der Revolutionsgarde angehörte, klagte in seiner Amtszeit öffentlich über „die Brüder Schmuggler“, die über eigene Häfen und Flugplätze verfügten. Politischen Beobachtern zufolge habe er mit dieser Aussage die Beteiligung der mächtigen Revolutionsgarde in den illegalen Importgeschäften kritisiert.
Gesundheitliche Bedenken
Mohammad Ali Baghestani Meibodi, der Leiter des iranischen Amtes für Pflanzenschutz beklagte, die bisherigen Maßnahmen hätten dem Schmuggel keinen Einhalt bieten können. Laut dem Amtsleiter fehle im Kampf gegen Obstschmuggel „die nationale Entschlossenheit“. Er warnte zudem vor dem Konsum der Schmuggelfrüchte, da deren Herkunft und die eingesetzten Pflanzenschutzmitteln unklar seien. Offiziell eingeführte Agrarprodukte prüft das Amt auf eventuelle Bestände an Giftstoffen gegen Schädlinge.
Unklare Zuständigkeit
Die Vernichtung der beschlagnahmten Schmuggelware in der Provinz Khorasan
Die Vernichtung der beschlagnahmten Schmuggelware in der Provinz Khorasan

Mehrere Politiker wetterten bereits gegen den ungehinderten Schmuggel von Obst. Doch die iranischen Behörden weisen die Verantwortung von sich. Ahmad Reza Nematzade, Minister für Industrie, Bergbau und Handel, sieht das Ministerium für Agrarentwicklung in der Verantwortung, gegen den illegalen Fruchthandel vorzugehen. Agrarminister Mohammad Hojati zufolge ist es dagegen Aufgabe der Grenzbehörden, den Schmuggel zu stoppen. Er sagte: „Uns liegen Berichte vor, wonach über die Westgrenzen und aus den arabischen Ländern im Süden regelmäßig Obst in den Iran geschmuggelt wird.“
Für die Antischmuggelbehörde liegt die Verantwortung wiederum bei den Stadtverwaltungen, die die Großmärkte für Obst und Gemüse kontrollieren. Die Teheraner Stadtverwaltung forderte die Obst- und Gemüsehändler auf ihren Großmärkten bereits schriftlich auf, nur Inlandsprodukte anzubieten. Der Leiter des Berufsverband der Obst- und Gemüsegroßhändler in Teheran, Mohsen Mahmudi, sagte deshalb: „Gegen den Schmuggel von Obst zu ermitteln, ist nicht unsere Aufgabe. Wir haben unserer Pflicht genüge getan, indem wir in einem Schreiben die Händler angehalten haben, den Kauf von Schmuggelwaren zu unterlassen.“
Mitte März kündigte der stellvertretende Innenminister Hosein Ali Amiri an, laut neuer Gesetze sei die Pflanzenschutzbehörde zuständig, gegen den Schmuggel vorzugehen. Laut Amiri sieht das Gesetz enge Zusammenarbeit und Informationsaustausch mehrerer Behörden, etwa der Ordnungshüter und der Antischmuggelbehörde, vor.
Seit Anfang März finden regelmäßig Razzien gegen Schmuggelfrüchte in Teheraner Supermärkten statt. Doch ob dem millionenschweren Geschäft mit illegalem Obst damit Einhalt geboten werden kann, steht in den Sternen.
SEPEHR LORESTANI
Übertragen aus dem Persischen und überarbeitet von Omid Shadiwar