"Wahlboykott statt Ölboykott": Iranische Blogger zu den Sanktionen

Sind die neuen schärferen Sanktionen gegen den Iran tatsächlich ein Druckmittel gegen die Regierung, wie der Westen behauptet? Oder leidet darunter viel mehr die Bevölkerung? Die Reaktionen auf das Ölembargo und dessen Auswirkungen auf das tägliche Leben der Iraner sind ein großes Thema auch  unter iranischen Bloggern.

Am 23.Januar beschloss die Europäische Union, den Import von Erdöl aus dem Iran ab Sommer 2012 zu stoppen. Kurz darauf folgten auch Sanktionen gegen iranische Banken, die Teherans Zugang zum internationalen Finanzsystem erschweren sollten. „Ein psychologischer Krieg“, so lautete die erste offizielle Stellungnahme vom Sprecher des iranischen Außenministeriums, Ramin Mehmanparast. Wie aber nimmt die iranische Internet-Gemeinde die Strafmaßnahmen auf?
Schnelle Reaktion der Social-Media-User
Facebook- und Twitter-User reagierten als erste auf die Meldung vom Ölembargo. Dabei bezogen sie sich vor allem auf die hohen Preise, mit denen Millionen Iraner seit einiger Zeit ohnehin zu kämpfen haben. Die meisten User sprechen sich gegen die Sanktionen aus, doch es gibt auch Befürworter. Der Blogger „Koktelmolotof“ etwa schlägt vor, die iranische Regierung sollte ihren Ölhahn zudrehen, bevor sie wieder Verhandlungen über ihr Atomprogramm mit dem Westen aufnimmt. So könne sie das Spiel umdrehen und die EU-Ländern unter massiven Druck setzen, schreibt „Koktelmolotof“.
Eine beachtliche Zahl der iranischen Internetaktivisten findet gezielte Sanktionen am besten. Die Reaktion des Facebook-User „Ruhi“ ist typisch für diese Gruppe: „Ich bin mit Sanktionen einverstanden, die direkt die Machthaber treffen, nicht die einfachen Menschen. Verbietet allen Politikern und Verantwortlichen der Sicherheitskräfte, der Armee und der Revolutionsgarde die Einreise“, empfiehlt er den EU-Ländern, „friert alle ihre Bankkonten ein. Das Geld ist sowieso gestohlen und gehört dem iranischen Volk.“

„Bitte nicht anfassen, der Preis dafür ist zu teuer!“
Das Foto des Facebook-Users Ali: „Bitte nicht anfassen, der Preis dafür ist zu hoch!“

Auffällig auch, dass viele die derzeitige hohe Inflationsrate des Iran mit den internationalen Sanktionen in Verbindung bringen. Die soll nach offiziellen Angaben bei 21 Prozent, Experten zufolge sogar bei etwa 40 Prozent liegen. Es gibt keinen Tag, an dem sich die Preise für Grundlebensmittel wie Brot, Eier, Fleisch und Reis nicht verteuerten. Facebook-User „Ali“ stellt ein Foto von einem Obststand in Teheran auf seine Pinnwand, auf dessen Schild zu lesen ist: „Bitte nicht anfassen, der Preis dafür ist zu hoch!“ Alis Kommentar dazu: “Was für ein armes Land, wenn seine Bevölkerung anfängt, über ‚unbezahlbare Preise’ Witze zu machen.“
Vier Szenarien
Der Blogger „Azarak“ bewertet in seiner Analyse das Ölembargo und die neuen Finanzsanktionen der EU-Länder als eine absolute Herausforderung für das gesamte iranische Staatssystem. Dabei trennt „Azarak“ zwischen der iranischen Bevölkerung und dem Staat. Seiner Ansicht nach bilden die iranische Bevölkerung, der iranische Staatsapparat und die Weltgemeinschaft derzeit ein Dreieck. Vor diesem Hintergrund malt „Azarak“ folgende vier Szenarien aus:

  1. 1. Die iranische Regierung erfüllt die Forderungen der Bevölkerung und kooperiert gleichzeitig auch mit der  Weltgemeinschaft.
  2. 2. Die iranische Regierung stellt sich gegen die Demokratiebewegung ihres Volkes, aber kooperiert mit der  Weltgemeinschaft.
  3. 3. Die iranische Regierung erfüllt die Forderungen ihrer Bevölkerung, aber stellt sich gegen die Weltgemeinschaft.
  4. 4. Die iranische Regierung stellt sich gegen die Demokratiebewegung ihres Landes und gegen die Forderungen der  Weltgemeinschaft.

„Azarak“ meint, das Regime befinde sich derzeit in der Situation, die als Punkt 4 beschrieben ist. Um eine ideale Situation wie unter Punkt 1 zu erreichen, müsste sie den religiösen Führer Ayatollah Khamenei entmachten und einer Demokratie zustimmen, schreibt „Azarak“.
Reich und gleichzeitig arm
Der Blogger „Sobhsefid“ klagt, er habe den Begriff „Sanktionen“ satt und könne ihn nicht mehr hören. „Zwar schlafen wir auf einem erdölreichen Boden, aber wir sind dabei gleichzeitig sehr arm“, findet er. Die Gas und Öl-Vorkommen seien den Iranern zum Verhängnis geworden, ohne diese Bodenschätze hätte man weniger Feinde und damit seine Ruhe, meint „Sobhsefid“.
Krieg der Diplomaten
„Zwar fallen im Moment keine Bomben vom Himmel und fliegen keine Raketen durch die Gegend, dennoch sind wir nur einen Hauch von einem Militärschlag entfernt“, schrebit der Blogger „modir“. „Der Gegner“ sei dabei, den Iran durch wirtschaftlichen und politischen Druck niederzuschlagen: „Wir befinden uns in einem sogenannten Diplomatie-Krieg.“
Wahlboykott
Der Blogger „Nourafkan“ schlägt vor, man solle demnächst den Begriff Sanktionen, „den man unvermeidlich täglich hört“, nicht mehr mit dem Erdöl, sondern mit den bevorstehenden iranischen Parlamentswahlen im März verbinden. Das sei eine effektive Maßnahme, um den Begriff „Wahlboykott“ in den Köpfen zu stärken, so „Nourafkan“: Mit einem Wahlboykott könne man am Ende eine zivilgesellschaftliche Bewegung gegen das Regime erreichen.