Ghostwriter sehr gefragt

Fälschungsvorwürfe gibt es weltweit. Doch in Ländern wie dem Iran, wo Korruption an der Tagesordnung ist, werden im Netz sogar gefälschte akademische Abschlüsse offen verkauft. In der Islamischen Republik gibt es allerdings zwei Wege, an einen gefälschten akademischen Titel zu kommen. „Sie sind Student und haben Stress, weil Sie bald ihre Diplomarbeit abgeben müssen. Kein Problem: Kontaktieren Sie uns und überlassen Sie uns das Schreiben. Und keine Sorge, am Ende wird Ihr Name unter Ihrer Arbeit stehen.“ So oder auf ähnliche Weise werben persischsprachige Internetportals für akademisches „Ghostwriting“. Etwa www.iraniaghaei.com: Ob Diplom- oder Doktorarbeit, heißt es auf dieser Seite: „Unsere Experten erledigen alles.“ Die Bandbreite der Angebote klingt verlockend: „Von technischen Fächern bis zu Humanwissenschaften, und egal ob Sie Student an einer staatlichen oder Privatuni sind: Die Arbeiten werden nach dem neuesten Standard angefertigt.“  Und das Angebot geht noch weiter. Denn wie soll man eine nicht selbst geschriebene Doktorarbeit verteidigen? Auch dafür gibt es einen Service: „Wir bieten Beratungen an, wie Sie Ihre Arbeit bestmöglich vortragen und welche Fragen dabei gestellt werden könnten.“
Prominente Fälschungsfälle

Ali Kordan musste nach wachsendem Druck zugeben, dass sein Doktortitel eine Fälschung ist.
Ali Kordan musste nach wachsendem Druck zugeben, dass sein Doktortitel eine Fälschung ist.

In der Islamischen Republik gibt es zwei Wege, an einen gefälschten akademischen Titel zu kommen: entweder kauft man ihn – oder man hat Beziehungen. Kritiker behaupten, mit gefälschten Qualifikationen seien bessere und gut bezahlte Positionen zu bekommen. Der bislang bekannteste Fall akademischer Fälschung betraf den früheren iranischen Innenminister Ali Kordan. 2008 musste er nach wachsendem Druck zugeben, dass sein juristischer Ehrendoktortitel, verliehen angeblich von der britischen Elite-Universität Oxford, eine Fälschung ist. Das kostete ihn sein Amt. Der iranische Präsident machte damals unmissverständlich deutlich, dass ihm akademische Qualifikationen nichts bedeuten: „Wozu braucht jemand, der seiner Bevölkerung dienen will, so ein Stück Papier?“, fragte Mahmud Ahmadinedschad. Und die staatliche iranische Nachrichtenagentur IRNA kommentierte Kordans Rücktritt so: „Diese Geschichte wurde von westlichen Feinden organisiert, um einen Staatsskandal auszulösen und der Regierung von Mahmud Ahmadinedschad zu schaden.“
Zweifel an Ahmadinedschads Doktortitel
Dabei ist die Liste der Betrugsvorwürfe gegen iranische Verantwortliche ziemlich lang. Selbst dem iranischen Präsidenten Ahmadinedschad wirft man vor, seinen Doktortitel gefälscht zu haben. Laut offiziellen Angaben nahm Ahmadinedschad 1975 an der Technischen Universität Teheran ein Studium zum Bauingenieur auf und erlangte 1984 sein Diplom. Nur drei Jahre später wurde er Mitglied der Wissenschaftlerkommission der entsprechenden Fakultät der Uni und promovierte gleichzeitig dort. 1993 bekam er offiziell seinen Doktortitel verliehen. Allerdings war Ahmadinedschad damals Provinzgouverneur in Ardebil und in den Jahren zuvor im Provinzamt der Stadt Maku in der Provinz West-Aserbeidschan tätig. Solche Abwesenheit verstößt aber gegen die Regeln der Technischen Universität. Denen zufolge müssen die Doktoranden während der Dissertation in Vollzeit anwesend sein. Ein Kommilitone fragte Ahmadinedschad deshalb in einem offenen Brief im Jahr 2009: „Dr. Ahmadinedschad, können Sie uns erklären, wie Sie es geschafft haben, Ihre Doktorarbeit zu schreiben, während Sie Gouverneur in Ardebil waren? Nicht zu vergessen, dass Sie dort wegen Ihres unermüdlichen Einsatzes vom damaligen Präsidenten Hashemi Rafsandschani sogar als bester Provinzchef des Landes ausgezeichnet wurden.“
Schuld der Universitäten

Vizepräsident Mohammad Reza Rahimi (li) und Parlamentspräsident Ali Larijani: Die Echtheit ihrer Doktortitel wird auch angezweifelt.
Vizepräsident Mohammad Reza Rahimi (li) und Parlamentspräsident Ali Larijani: Die Echtheit ihrer Doktortitel wird angezweifelt.

Reza Ameri, leitender Aufsichtsbeauftragter für die Universitäten im iranischen Wissenschafts- und Bildungsministerium, sagte der iranischen Nachrichtenagentur MEHR, die Ursache für die Verbreitung von Fälschungen sei an den Universitäten selbst zu suchen: „Einige Mitglieder der  Wissenschaftlerkommissionen vor allem an den privaten Universitäten tragen die Schuld daran“, so Ameri. Da diese an den Privatunis nicht ständig anwesend sein müssten, kämen Betrugsfälle dort häufiger vor.
„Verkaufe eigene Diplomarbeit“
Gibt man bei Google auf Persisch den Satz „An- und Verkauf von Fälschungen“ ein, stößt man auf mehr als 100.000 Links. Ein beachtlicher Teil von ihnen führt zu „Beratern“ für Diplom- und Doktorarbeiten. Eine Webseite gibt sogar eine Teheraner Büroadresse an und wirbt mit Komplettservice: „Alles ist fertig: Sie brauchen nur Ihren Namen anzugeben und schon gehört die Diplomarbeit Ihnen. Sie müssen sie nur noch ausdrucken.“ Und auch Privatleute mischen im Geschäft mit und machen Geld mit der eigenen Diplomarbeit. Ein Internetuser etwa schreibt: „Ich habe so viel Zeit für meine Diplomarbeit investiert und dafür nur eine Zwei bekommen. Damit sich die investierte Zeit lohnt, habe ich mich, wenn auch ungern, entschlossen, meine Diplomarbeit zu verkaufen. Bisher habe ich sie an sechs verschiedene Interessierten verkauft. Mit einem siebten bin ich noch in Preisverhandlungen.“
FH
Quellen: DW, Fardanews