Ernst oder Scherz?

Das Internet haben sie abgeschaltet, aber ihre Münder reißen sie auf, soweit sie können. Man kann weder Beiträge teilen, noch etwas schreiben (ok, ich kann es gerade noch!) und man kann nichts lesen. Wenn ihr euch erinnert, war nach den Wahlen die gleiche Chose.

Das Abschalten des Internets ist ähnlich wie das Abschnüren des Atems. Das heißt, es ist nur vorübergehend in Notstandszeiten. Das können sie nicht lange durchhalten. Soweit ich weiß, werden dadurch auch die Systeme vieler ihrer Ämter und Organisationen lahmgelegt. Den Saft drehen sie von ganz oben nur dann ab, wenn die Lage sehr kritisch ist. Genau wie gestern, was dazu führte, dass sie sich ständig widersprachen.
Ich wundere mich jetzt nur über den armen Hisbollahi-Jungen, der beispielsweise in Ghuchan fernschaut und versucht über die ihm einzig vertrauenswürdige Quelle, das Staatsfernsehen, Informationen zu erhalten. Wird er nicht komplett verwirrt sein nach so vielen Widersprüchen?
Am frühen Abend war nichts passiert. Spätabends wird beiläufig über eine unbedeutend kleine Gruppe, die in einer entlegenen Gegend von Teheran ein wenig Krach gemacht hatte, berichtet. Am nächsten Morgen sieht man dann im Fernsehen, dass die Parlamentsmitglieder wegen eben jenem unbedeutenden Vorfall sich um Kopf und Kragen brüllen, als wäre das Ende der Welt gekommen! Glaubt mir, ich mache mir nur Sorgen um den Jüngling in Ghuchan, der verwundert den Finger im Mund hält und zum Schluss nicht verstehen wird, was los war.
Meines Erachtens steht das Regime heute an einem schwierigen Scheideweg. Entweder die Fortsetzung der Beschwichtigungen und vorsichtiges Taktieren, was ihren fundamentalistischen Anhängern und wichtigsten Fahnenträgern nicht gefallen wird, oder eine maßgebliche Entscheidung für die Niederschlagung der Proteste. Was mit der Verhaftung oder gar Ermordung der Köpfe der Grünen Bewegung, und dem Zuschlagen mit der eisernen Faust einhergeht. Das wiederum würde bedeuten, dass sie die Knüppel gegen Kalaschnikows austauschen, und den militärischen Ausnahmezustand ausrufen würden. Solch ein Vorgehen würde viele davon abhalten auf die Straße zu gehen, aber die Geschichte zeigt, dass es langfristig die Radikalisierung der Proteste und den gewaltsamen Sturz nach sich ziehen würde.
Zurück zu mir selbst. Mir tut es um meinen Blog leid, der durch den Herrn Klein-Filter, dessen Foto ihr auf dem schwarzen Brett sehen könnt, bedroht ist. Manchmal denke ich hoffentlich bleibt es bei solchen virtuellen Drohungen. Was, wenn sie mich verhaften? Onkelchen Klein-Filter ist allemal besser als der Verhörmeister. […]
Jedenfalls denke ich nicht an so etwas. Zum Beispiel denke ich auch ‎nicht daran, dass ich verprügelt oder verhaftet werden, oder etwas ‎noch Schlimmeres passieren könnte, wenn ich zu den ‎Demonstrationen gehe. Bisher bin ich immer gesund und fröhlich wieder ‎zurück gekommen. Ich kenne Leute, die weder was Politisches auf ‎ihrem Blog schreiben, noch an den Demos teilnehmen, aber ständig ‎Angst haben, sobald das Telefon mit unterdrückter Nummer klingelt, ‎dass der Geheimdienstminister persönlich hinter der Tür lauert. ‎Warum so selbstverliebt? Ob man nun an Nierensteinen stirbt, oder ‎durch „die Kollision des Kopfes mit einem harten Gegenstand“ während ‎des Verhörs. Das zweite ist wahrscheinlich weniger schmerzhaft und ‎zudem ehrenvoller. ‎