Die Zeiten der Leichenfledderei sind vorbei

Sie sollen daher nicht bombastisch sein – vor allem dann nicht, wenn die Getöteten israelischen Luftangriffen zum Opfer fielen. Am Sarg eines von Israel getöteten Gardisten muss sich selbst ein Prediger zügeln. Denn hier ist besondere Vorsicht geboten: Israel darf nicht zu übermächtig erscheinen. Zudem erzeugt übertriebene antiisraelische Propaganda am Sarg eines gefallenen Gardisten übersteigerte Rachegelüste – die man stillen müsste, aber nicht kann.
Deshalb finden die Totenzeremonien für in Syrien Gefallene manchmal praktisch als geschlossene Gesellschaften statt. Man bleibt unter sich, eine große Öffentlichkeit ist nicht nur politisch nicht opportun: Sie ist kontraproduktiv.
Wenige Stunden nach dem mutmaßlichen Gasangriff in der syrischen Stadt Duma griffen am 8. April zwei Kampfjets ein Militärobjekt in der Provinz Homs an. Dass es zwei israelische F-15 waren, die den Stützpunkt vom libanesischen Luftraum aus mit acht Raketen beschossen, gilt inzwischen als sicher, obwohl israelische Behörden dazu – wie immer – schweigen. Doch dieser Luftangriff hatte weder mit dem Chemiewaffeneinsatz in Duma zu tun noch hatte die israelische Armee explizit syrische Ziele im Visier. Die 14 Menschen, die bei dieser Attacke getötet wurden, waren mehrheitlich Iraner. Alle in diesem Gebäude arbeiteten für ein Militärprojekt unter der Regie der iranischen Revolutionsgarden. Das bestätigen westliche Quellen ebenso wie arabische. Offenbar waren hier Spezialisten der Revolutionsgarden mit dem Bau von Drohnen beschäftigt, was Israel als sehr bedrohlich betrachtet.
Nach dem Angriff erklärte Israels Verteidigungsminister Avigdor Lieberman, er wisse zwar nicht, „was genau geschehen ist oder wer angriff. Ich weiß allerdings eine Sache ganz sicher: Wir werden keine iranische Stationierung in Syrien zulassen. Koste es, was es wolle. Wir haben keine andere Wahl.“

Vier der sieben getöteten Iraner beim Angriff auf die syrische Luftwaffenbasis T4
Vier der sieben getöteten Iraner beim Angriff auf die syrische Luftwaffenbasis T4

 
Ausschluss der Öffentlichkeit
Einen Tag nach diesem Angriff meldeten iranische Medien sehr kurz den Tod von sieben Kämpfern in Syrien, zwei Tage später trafen deren Leichname ein. Doch die Totenfeiern für diese Gefallenen fanden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Handverlesene Gardisten und Paramilitärs waren unter sich.
Unter diesen sieben Gefallenen ragt einer heraus, über den man nicht völlig schweigen konnte und durfte: Lotfi Niasar, 34 Jahre alt, Offizier der Revolutionsgarden und Drohnen-Spezialist. Niasar stammte aus einer sehr einflussreichen Familie. Sein Vater ist ein mächtiger Geistlicher in Qom, dem Zentrum der schiitischen Gelehrsamkeit, und dort auch Chef des Staatlichen Rundfunks und Fernsehens.
Wenn der Sohn eines so bedeutenden und tonangebenden Mullahs von der israelischen Armee in Syrien getötet wird, dann, so könnte man annehmen, müssten doch die Einpeitscher und Propagandisten alles in Bewegung setzen, um seine Totenfeier zur geistigen und physischen Mobilisierung gegen Israel zu nutzen. Doch weit gefehlt. Auch um diesen hochrangigen Offizier aus der mächtigen Familie machte man nicht viel Lärm. Die Todesmeldung war kurz und bei der Trauerfeier waren nur einige Dutzend geladene Gäste anwesend. Die Rede des Vaters war ein reiner Durchhalteappell.
Die Zeiten der Leichenfledderei sind offenbar vorbei. Mit aus Syrien zurückkehrenden Särgen lässt sich kein Blumentopf mehr gewinnen, kein politisches Geschäft mehr betreiben.
Lasst Syrien in Ruhe“
Fortsetzung auf Seite 3