Justiz-Offensive gegen WhatsApp, Viber und Co.

Hassan Rouhanis Regierung wird seit ihrem Antritt im vergangenen Jahr wegen ihrer moderaten Politik von konservativen Kräften des Iran attackiert. Der Disput um das Thema Zensur zwischen den beiden politischen Lagern geht nun in eine neue Runde. Während die konservative Justiz die Sperrung ausländischer mobiler Dienste fordert, distanziert sich der moderate Kommunikationsminister von derlei Vorhaben.

„Was derzeit geschieht, ist an Albernheit nicht zu überbieten. Wann fangen die Herrschaften da oben an zu begreifen, dass die Bevölkerung mit ständigen Verboten und Einschränkungen nicht kontrolliert werden kann?“, fragt sich Farbod aus Teheran. Der 24-jährige IT-Student ist empört über die jüngsten Pläne der staatlichen Autoritäten des Iran, Instant-Messaging-Dienste wie WhatsApp, Viber und Tango sperren zu lassen. Wie etwa fünf Millionen seiner Landsleute ist auch Farbod eifriger Nutzer von Online-Kurznachrichtendiensten und möchte nicht auf diese verzichten. „Noch nie war Kommunikation so einfach wie jetzt. Manche in diesem Land scheinen damit allerdings Probleme zu haben“, so Farbod im Gespräch mit TFI.
Der Verdacht des jungen Iraners ist nicht unbegründet. Seit Monaten drängt die von konservativen Kräften dominierte iranische Justiz die moderate Regierung von Präsident Hassan Rouhani, WhatsApp und Co. zu verbieten. „Vor über drei Monaten haben wir Kommunikationsminister Mahmoud Vaezi aufgefordert, bestimmte mobile Dienste und soziale Netzwerke, die in dem Iran feindlich gesonnenen Ländern entwickelt wurden, sperren zu lassen“, so Irans Generalstaatsanwalt Gholamhossein Mohseni-Ejei Ende September. Der Minister sei der Forderung der Justiz jedoch bisher nicht nachgekommen. Dem Ministerium werde daher ein Monat Zeit gegeben zu handeln, so Mohseni-Ejei: „Ansonsten werden wir selbst die Sperrung durchsetzen und die Verantwortlichen, die sich der Forderung der Justiz widersetzt haben, zur Rechenschaft ziehen“, droht der Generalstaatsanwalt.
„Nicht der richtige Weg“

Während die Kabinettsmitglieder soziale Netzwerke benutzen, sind sie für die Bevölkerung verboten - Foto: iraninfocom.com
Während die Kabinettsmitglieder soziale Netzwerke benutzen, sind sie für die Bevölkerung verboten – Foto: iraninfocom.com

Anlass für den jüngsten Vorstoß Mohseni-Ejeis sind Witze über den verstorbenen Revolutionsführer Ayatollah Ruhollah Chomeini, die seit Wochen über WhatsApp und Viber verbreitet werden. In diesem Zusammenhang hat es Ende September bereits elf Verhaftungen gegeben. Die Beschuldigten hätten eingestanden, für die Verbreitung der Witze verantwortlich zu sein, berichteten konservative iranische Medien.
Dessen ungeachtet sprach sich der moderate Kommunikationsminister Vaezi gegen eine Sperrung der mobilen Instant-Messaging-Dienste aus. Die Erfahrungen der Vergangenheit hätten gezeigt, dass mit Verboten und Sperren die „gewünschten Ergebnisse“ nicht erzielt werden könnten, so Vaezi vergangene Woche bei einer Pressekonferenz. „Für manche gesperrten Seiten und Dienste gab es innerhalb von 48 Stunden Anti-Filter-Programme zum Kauf und Download.“ Dies zeige, dass der Weg der Justiz nicht der richtige sei. Die Position der Regierung Rouhani sei schon immer gewesen, den Menschen den Zugang zu Kommunikationsmitteln zu erlauben, solange diese nicht genützt würden, um der Moral der iranischen Gesellschaft Schaden zuzufügen, „kriminelle Inhalte“ zu verbreiten und die Autoritäten zu beleidigen. Die Verbreitung solcher Inhalte müsse unterbunden werden, aber ein vollständiges Verbot von Instant-Messaging-Diensten sei „eine andere Geschichte“, so Vaezi.
Iranische Alternativen

Internetcafe in Teheran. Foto: barsam.ir
Die Jugend umgeht sehr leicht das staatliche Filtering

Laut Mahmoud Vaezi plant sein Ministerium, als Alternative zu den herkömmlichen Diensten und Netzwerken eigene „nationale soziale Netzwerke und mobile Dienste“ zu etablieren. „Wir haben bereits Universitäten und private Unternehmen mit der Entwicklung solcher Dienste beauftragt“, sagte Vaezi gegenüber staatlichen Medien. Bereits in der Vergangenheit hatte der Minister erklärt, nur die Etablierung iranischer Alternative zu WhatsApp, Viber und ähnlichen Kommunikationsmitteln könne deren Sperrung realisierbar machen.
Doch die hohe Zahl der NutzerInnen der bekannten Instant-Messaging-Dienste lässt wahrscheinlich erscheinen, dass viele sich mit solchen Alternativen nicht zufrieden geben, sondern Wege suchen würden, Sperren zu umgehen. Zu diesen gehört auch Farbod: „Sie haben Facebook, Twitter, Myspace und Youtube gesperrt“, sagt er. „Trotzdem nutzen wir diese Dienste immer noch über Proxy-Server und Anti-Filter-Programme. Auch für WhatsApp und Viber würden sich sicher schnell Wege finden lassen, die Sperren zu umgehen“, glaubt der 24-Jährige. Offiziell sind Entwicklung, Verkauf und Nutzung von Anti-Filter-Software im Iran zwar verboten. Farbod jedoch glaubt, dass iranische Offizielle im Verborgenen daran verdienen: „Auch Warenschmuggel ist im Iran eine Straftat. Dennoch ist es längst kein Geheimnis mehr, dass die dem geistlichen Führer nahestehende konservative Revolutionsgarde damit Geschäfte macht und sich bereichert. Warum sollte es bei Anti-Filter-Software anders sein, wenn sich damit viel Geld machen lässt?“
  JASHAR ERFANIAN