Iranische Homosexuelle: „Wir sind überall“

Trotz der schrecklichen Strafen für Homosexualität im Iran existiert die homosexuelle Gemeinde im Untergrund.  Durch ihren öffentlichen Auftritt trotzen Homosexuelle dem Regime und  ernten Anerkennung.
Am 17. Mai wurde international der Tag gegen Homophobie gefeiert. Und auch im Iran wagte es eine kleine Gruppe von Menschen, ihre Unterstützung für die Rechte von Homosexuellen öffentlich zu zeigen – trotz der harten Gesetze der Islamischen Republik gegen Homosexualität und trotz des damit verbundenen sozialen Stigmas.
Sehr selten, wenn nicht beispiellos, sind die Bilder der AktivistInnen, die angeblich in Teheran aufgenommen wurden. Die abgebildeten Personen sind vermummt, um nicht identifiziert und schikaniert werden zu können. Die AktivistInnen tragen Schilder und die Regenbogenfahne, obwohl die meisten Iraner die Bedeutung der Fahne als Symbol der Lesben-, Schwulen-, Bisexuellen- und Transgenderbewegung vermutlich gar nicht kennen. Ein Foto, aufgenommen im öffentlichen Personenverkehr, zeigt den Schriftzug: „Nein zu Homophobie.“

Nur ein paar Tage zuvor hatte, einem Bericht der „Human Rights Activist News Agency“  (HRANA) zufolge, ein Gericht vier Männer wegen „Sodomie“ zum Tode durch den Strang verurteilt. Saadat Arefi, Vahid Akbari, Javid Akbari und Houshmand Akbari aus der Gemeinde Choram in der Provinz Kohgiluyeh und Boyer-Ahmad sollen in Kürze hingerichtet werden, nachdem die oberste Instanz die Urteile bestätigt hat.
„Todsünde“
Gleichgeschlechtliche Beziehungen können im Iran mit dem Tode bestraft werden. Menschenrechtsgruppen schätzen die Zahl der seit der islamischen Revolution 1979 hingerichteten Homosexuellen auf etwa 4.000. Beim Strafmaß unterscheidet das iranische Gesetz nicht zwischen Vergewaltigung und Homosexualität.
Dabei ist es in vielen Fällen unklar, ob die Angeklagten tatsächlich eine sexuelle Handlung begangen haben oder ob es sich bei entsprechenden Vorwürfen möglicherweise um bloße Anschuldigung etwa in einem Streit handelt. Und selbst in Fällen, in denen es zum gleichgeschlechtlichen Akt gekommen ist, bleibt oft unklar, ob die betroffenen Personen tatsächlich homosexuell sind oder ob es sich um einen gelegentlichen Akt der sexuellen Befriedigung handelte.
Minderwertiger als Hunde und Schweine“

"An Ahmadinedschad: Uns gibt es" - Demonstration der iranischen Homosexuelle in der Türkei, gegen die Behauptung des Präsidenten, im Iran gäbe es keine Homosexuellen.
"An Ahmadinedschad: Uns gibt es" - Demonstration der iranischen Homosexuellen in der Türkei, gegen die Behauptung des Präsidenten, im Iran gäbe es keine Homosexuellen.

Islamische Kleriker und hohe iranische Amtsträger haben in den letzten 32 Jahren immer wieder zur Homosexualität Stellung genommen. Die Stellungnahmen reichen von groben Beleidigungen bis hin zur Morddrohung durch Steinigung.
Zuletzt hat Anfang April Ayatollah Javadi-Amoli, ein einflussreicher iranischer Kleriker, der juristische Entscheidungen nach dem Gesetz der Scharia fällen darf, westliche Gesetzgeber für ihre Entkriminalisierung der Homosexualität verurteilt. Diese Politiker seien niedriger als Tiere, urteilte er in einer Rede vor seinen Anhängern in der heiligen Stadt Qom. Im gleichen Atemzug bezeichnete er Homosexuelle als „minderwertiger als Hunde und Schweine“.
Die spektakulärste Stellungnahme hatte Präsident Mahmoud Ahmadinedschad während eines Auftritts an der Columbia University 2007. Er wurde aufgefordert, die Hinrichtung von Homosexuellen im Iran zu erklären. Er antwortete: „im Iran haben wir keine Homosexuellen wie in Eurem Land.“
Aktivitäten im Ausland und in Social Media
In den vergangenen Jahren haben iranische Homosexuelle mindestens zwei LGBT-Organisationen im Ausland gegründet. Einige im Ausland ansässige persischsprachige Medien wie Radio Zamaneh haben für die Belange von Homosexuellen spezielle Rubriken eingerichtet. Im September 2011 startete eine Gruppe iranischer Bi-und Homosexueller, Lesben und Transgender eine Kampagne namens „Wir sind überall“ auf Facebook. Die Kampagne ermutigt die Mitglieder, ihre persönlichen Geschichten im Internet zu veröffentlichen. Die im Iran lebenden Mitglieder der Kampagne haben Audio- und Videonachrichten veröffentlicht, ohne ihre Identität preiszugeben, während einige Mitglieder außerhalb Irans frei über ihre sexuelle Orientierung schreiben.
Viele iranische Homosexuelle leben als Asylsuchende in der Türkei. Zahlreiche von ihnen beklagen die homophoben Ressentiments der lokalen Einheimischen.
Ein homosexueller Iraner, der in der Türkei lebt, hat eine Videobotschaft veröffentlicht, in der sein Gesicht nicht zu sehen ist. Seine auf eine Papierhandtuchrolle geschriebene Botschaft rollt er vor der Kamera ab: „Ich bin ein homosexueller Iraner. Ich habe Angst, mein Gesicht zu zeigen. Ich habe den Iran verlassen und bin vor meiner Familie geflohen. Ich wurde aus meinem Land vertrieben. Nun bin ich ein homosexueller Flüchtling in der Türkei, und ich zähle die Tage. Wir sind überall.“
FP