Iraner und ihr „Nouruz“

Mit dem Nouruz-Fest hat im Iran das neue Jahr begonnen. Mit dem Fest verbinden die Menschen seit Jahrtausenden auch Hoffnung und Harmonie mit der Natur. Mehr zu dieser Tradition und wie die iranische Bevölkerung in Zeiten der politisch-wirtschaftlichen Spannungen das neue Jahr angefangen hat.


Am Dienstag, den 20. März, war es wieder soweit. Um genau 6:14 Uhr (MEZ) begann der Frühling und damit das Sonnenjahr. Für mehr als 300 Millionen Menschen in vielen Regionen Zentral- und Südasiens wie Afghanistan, Aserbaidschan, Iran, dem Kaukasus, Tadschikistan sowie den kurdischen Gebieten gehört Nouruz zum wichtigsten und größten Fest des Jahres. Seit 2010 ist das vorislamische Fest von der UNESCO als „immaterielles Weltkulturerbe“ anerkannt.
Jede Region im Iran feiert Nouruz inzwischen auf ihre eigene Art und Weise. Vor der islamischen Zeit wurde mit dem Fest  lediglich der Frühlingsanfang gefeiert. Doch durch die Jahrhunderte hat sich der Tag zum Neujahrfest entwickelt.
Zur iranischen Neujahrstradition gehört eine große Tafel, genannt „Sofreh-Haft-Sin“. Darauf stellt man sieben Elemente – Lebensmittel und Pflanzen -, die in der persischen Sprache mit dem Buchstaben „S“ beginnen. Jedes von ihnen hat eine besondere Bedeutung: Der Apfel steht für Gesundheit, Linsensprossen für Vitalität, der Weizenpudding für Wohltat und Segen, die Mehlbeere symbolisiert den „Keim des Lebens“, der Gewürzsumach dessen Geschmack. Der Knoblauch steht für Schutz, der Essig für Fröhlichkeit. Nicht zu vergessen die schön duftenden Sonbol (Hyazinthen), ein Symbol für Freundschaft. „Sofreh-Haft-Sin“ bleibt 13 Tage lang stehen, denn so lange besuchen sich Iraner gegenseitig zum Nouruz.
Nouruz in Zeiten der Inflation
„Um Nouruz zu empfangen, musst du Dich wie die Natur, die zu gedeihen beginnt, rundherum frisch machen.“ Nach diesem Motto verhalten sich die Iraner, seit es das Nouruz-Fest gibt. Deshalb gehört dazu immer auch ein Besuch im Bazar, um neue Kleider und Schuhe zu kaufen. Doch die Zahl der Familien, die sich den Bazargang nicht leisten können, steigt ständig. Etwa Familie Moradi in Teheran: Der 50jährige Vater arbeitet als Facharbeiter bei einem Autohersteller, seine Frau hat eine Teilzeitstelle als Sekretärin in einem Ingenieursbüro. Sie haben zwei Töchter und einen Sohn. Ihre Tochter Mina besucht die Oberschule und Mahin studiert im dritten Semester Chemie, beide wohnen noch zu Hause. Sohn Ehsan studiert in Holland. „Beim Nouruz-Einkauf habe ich meinen Töchtern lediglich ein Oberteil kaufen können“, sagt Frau Moradi. Die Preise seien das ganze Jahr über ständig gestiegen, aber jetzt zum Neujahr könne man sich „als einfache mittelständische Familie wie wir kaum noch etwas leisten“. Die Antwort der Bazaris auf Moradis Klagen über die zu hohen Preise: Schuld seien “die internationalen Sanktionen gegen den Iran und der instabile Devisenmarkt“.
Vergangene Woche berichtete das iranische Nachrichtenportal Baztab, die Inflationsrate sei während der Monate Februar und März von 20 auf 25 Prozent gestiegen. Experten stehen den offiziellen Angaben allerdings skeptisch gegenüber. Sie schätzen den Zuwachs stattdessen auf bis zu 50 Prozent.
Zum Nouruz-Fest gehört nicht nur, dass Eltern ihren Kindern neue Kleider kaufen. Es werden auch jede Menge Süßigkeiten, verschiedene Obstsorten und Hülsenfrüchte eingekauft – als Vorbereitung auf die vielen Gäste, die man während der  Feiertage empfängt. „Die Obstpreise haben sich regelrecht verdoppelt, auch Pistazien oder Haselnüsse sind enorm teurer geworden. Viele Geringverdiener können dieses Jahr einfach kein richtiges Nouruz-Fest feiern“, sagt deshalb Frau Moradi.
Nouruz hinter Gittern
Nicht nur die ökonomische, auch die politische Lage des Landes verdirbt vielen Familien die Freude am Nouruz. Nach wie vor sitzen zahlreiche politische Aktivistinnen und Aktivisten, Angehörige religiöser Minderheiten und unliebsame Journalisten oder Künstler im Gefängnis – oder sie sind bereits verurteilt und warten auf den Beginn ihrer Haft. Farzaneh Mirzavand, die Ehefrau des inhaftierten Journalisten Siamak Ghaderi, ist eine von vielen. Obwohl ihr Mann vor Monaten einen Hafturlaub zum Nouruz beantragte, haben die Verantwortlichen das abgelehnt. „Ich habe bis zur letzten Minute gehofft, Nouruz mit meinem Mann zu Hause feiern zu können“, sagt Mirzavand. Ghaderi arbeitete als Journalist bei der iranischen Nachrichtenagentur IRNA. Er wurde wegen seiner Berichterstattung über die Demonstrationen nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen im Juli 2009 verhaftet.
Es gab aber einige politische Gefangene, die für maximal fünf Tage Hafturlaub bekamen, um Nouruz bei ihren Familien verbringen zu können. Darunter auch solche, denen seit mehr als zweieinhalb Jahren kein Hafturlaub gewährt worden war.
Nouruz-Feiern außerhalb des Landes
Zu Nouruz treten auch viele im Exil lebende iranische Popsänger in Nachbarländern wie Dubai und der Türkei auf. Eine willkommene Gelegenheit für Tausende Iraner, während der Feiertage zu verreisen. Vor allem junge Leute besuchen die Konzerte und genießen die Freiheiten dort – etwa die freie Kleidungswahl. Einige Familien nutzen die Feiertage auch, um im Ausland lebende Familienangehörige zu treffen. So fliegen viele in Europa und den USA lebende Exil-Iraner in die Nachbarländer Irans, um die Nouruz-Tage dort mit ihren Familien zu verbringen.
„Wir hätten gern Ehsan besucht“, sagt auch Frau Moradi, „aber aus finanziellen Gründen konnten wir uns das nicht leisten.“ „Zum Glück“ gebe es aber die neuen Medien. So konnte sie den in Holland lebenden Sohn immerhin per Skype sehen und ihm zu Nouoruz gratulieren.