Die Situation der bildenden Künste im Iran

Mit dieser auf Vermittlung ausgerichteten Programmatik sollte und wollte der als gemäßigt geltende Präsident Hoffnungen wecken. Die disparaten gesellschaftlichen Kräfte differenzierten sich jedoch im weiteren Verlauf im Verhältnis zu Rouhanis politischen Akzentsetzungen aus. Die Verlagerung auf außenpolitische Belange setzte den innenpolitisch angekündigten Reformkurs in die zweite Reihe. Die Annäherung an den Westen durch eine Lösung der Atomverhandlungen und der schrittweisen Beendigung der gegen den Iran verhängten Sanktionen stand nicht an oberster Stelle der Agenda der konservativen Kreise, auch wenn der Atomdeal sich als gesellschaftliche Notwendigkeit nicht mehr wegdiskutieren ließ. Der Deutlichkeit von Reformvorhaben war innenpolitisch eine Schwächung auferlegt. Strukturen, die sich während der Ära Ahmadinedschads gebildet hatten, konnten sich so in die Folgezeit hinein transformieren – hinsichtlich der Kunst heißt das, die Verlagerung und Konsolidierung in Richtung privaten Sektor.

In den acht Jahren der Regierung Ahmadinedschad reduzierten sich die staatlichen Bemühungen um die Kunst auf ein technokratisches Verwalten des Allernotwendigsten ohne tieferes Interesse, wenn sie nicht zu direkten Maßnahmen führten wie etwa einem ungehemmten Zensurverhalten, dessen Spielraum sich unter dieser wenig kunstsinnigen Regierung ausweitete. Ausstellungsprojekte wurden indiziert, auch nach Eröffnung geschlossen oder Eingriffe vorgenommen. Die Unterstützung richtete sich mehr auf folkloristisch ausgerichtete Produktionsformen des Kunsthandwerks und einer religiösen, am Islam orientierten Kunst, in deren Selbstanspruch aktuelle gesellschaftliche und politische Verhältnisse weniger zum Ausdruck kommen wollen und sollen. Das tatsächliche Handlungsfeld der bildenden Künstler wurde von staatlichen Instanzen desintegriert.

Ein Kunstwerk, das vom iranischen Regime als "Propaganda gegen das System" einstuft wird - s. weiterführenden Link unten
Ein Kunstwerk, das vom iranischen Regime als „Propaganda gegen das System“ einstuft wird (s. weiterführenden Link unten)

Zwei Tendenzen

Die Kunst selbst ist dadurch nicht zum Verschwinden gebracht worden. Doch der Diskurs innerhalb der Kunst hat darüber einige Verschiebungen erfahren. Grob lassen sich hier zwei Tendenzen aufzeichnen, deren gegenseitige Durchdringung damit nicht ausgeschlossen sein soll. Die eine besteht darin, aus der isolierten Situation auf den internationalen Markt zu drängen, was dazu führte, mit dafür spezifischen Formalisierungen Auseinandersetzungen zu führen.

Die andere Tendenz stellt sich in der notwendig fortgesetzten Tätigkeit der Kunstakteure im Iran dar, zumal nicht jedem die Möglichkeit offen stand, diese ins Ausland zu verlagern. In beiden Tendenzen ist die Fragestellung eingelagert, was das genuin Iranische dieser Kunst ist, denn hierin liegt der Reflexionshorizont, hinter den zurückzufallen ein elaborierter Selbstanspruch nicht zulassen konnte. Hinsichtlich des internationalen Marktes bedeutet dies, eine spezifische Position als iranische Gegenwartskunst einzunehmen, im Iran selbst war dies eine Frage nach der Legitimation wie auch der eigenen Legitimität. Bei allen dialektischen Spielarten im Umgang mit zensurbedingten Maßnahmen schließt das auch ein subtiles Spiel mit der Selbstzensur ein, also die Möglichkeit, einen Rahmen ausschöpfen zu können, der der Bildproduktion nicht entgegenstand.

Allerdings ist beiden Tendenzen die Ausrichtung auf den privaten Bereich gemeinsam, die immer auch die Gefahr mit sich trägt, Thematisierungen fallen zu lassen, die am Sozialen, Historischen und Politischen orientiert sind.

Spezifika Iranischer Kunst

Fortsetzung auf Seite 3