„Die andere Stimme“ im Iran

Sehr heftig. Ich bekam viele Anrufe von Männern aus Kurdistan, die mir Lügen vorwarfen. Neben Hassmails gab es aber auch viel Lob aus dem Iran, das mich dazu ermutigte, weiter zu berichten. Stellen Sie sich vor: Erst drei Jahre nach der Ausstrahlung meiner Sendung wurde der Iran überhaupt in die Liste der Länder aufgenommen, in denen Genitalverstümmlung vorkommt. Es gibt nach wie vor keine genaue Studie darüber, aber es soll vier iranische Provinzen betreffen: Kurdistan, Hormozgan, Kermanschah und das westliche Azerbeijan.
Radio Farda wird von der iranischen Regierung als „antirevolutionär“ bezeichnet und steht auf der schwarzen Liste. Wurden Sie bedroht?
Meine Eltern im Iran wurden einige Male vom Sicherheitsministerium ermahnt. Meine Schwester wurde mehrmals verhört. Und mich haben sie sanktioniert, indem sie meinen Pass nicht erneuerten. Denn ich besitze immer noch einen iranischen Reisepass. 2013 hat mir die iranische Botschaft in Prag dessen Erneuerung mit der Begründung verweigert, meine Berichterstattung hätte Ayatollah Khamenei persönlich beleidigt. So musste ich ein Jahr lang ohne gültige Papiere in der Tschechischen Republik ausharren, bis mir nach dem Amtsantritt von Hassan Rouhani ein neuer Pass ausgestellt wurde.
Gibt es Druck auf Ihre InterviewpartnerInnen?
Zum Glück nicht. Ich versuche sie so gut wie möglich zu schützen, indem ich ihre Stimmen verändere oder ihnen ein Pseudonym gebe.
Können Sie mit Ihrer Sendung auch im Iran etwas bewegen?

Frauen, die sich nicht an den Dresscode der Regierung halten, sind der staatlichen Gewalt ausgesetzt
Frauen, die sich nicht an den Dresscode der Regierung halten, sind der staatlichen Gewalt ausgesetzt

Ja! Es gab eine Gruppe von Frauen, die im Südiran zu Genitalverstümmelung recherchierten. Dazu wollten sie auch den Freitagsprediger einer Stadt befragen, der nicht nur religiös, sondern auch politisch eine besondere Stellung genießt. Er lehnte das Gespräch aber zunächst ab. Eines Tages lud er die Frauen doch zu sich ein. Er habe auf Radio Farda die Sendung über Genitalverstümmlung gehört und danach die ganze Nacht nicht schlafen können, so seine Begründung. Dabei hat er den Frauen versprochen, das Problem bei der regionalen Sitzung mit anderen Geistlichen anzusprechen und eine Lösung zu finden. Das war für mich ein sehr positives Ergebnis.
Was ist die größte Herausforderung bei Ihrer Arbeit?
Als ich noch im Iran arbeitete, hatte ich meine GesprächspartnerInnen meist direkt vor mir, da ich meine Interviews häufig persönlich geführt habe. Hier habe ich meist nicht mal ein Foto der Frauen, mit denen ich rede. Ich habe nur ihre Stimme. Ich muss mir also durch meine eigene Vorstellungskraft ein Bild davon machen, wie die Frau, die mit mir spricht, etwa ihre Hände bewegt, wie traurig ihre Augen sind, was sie anhat. Das ist die größte Herausforderung für mich als Radiojournalistin im Exil: dass ich meine Augen verloren habe.
   Interview: Forough Hossein Pour
Zur Person:
Roya Karimi Majd arbeitet seit 25 Jahren als Journalistin, darunter für elf iranische Reformerzeitungen und zehn Jahre lang auch für die verbotene Frauenzeitschrift Zanan. Nach deren Schließung wurde sie vom Sicherheitsministerium bedroht, weshalb sie 2008 in die Tschechische Republik emigrierte. Seitdem arbeitet sie für das persischsprachige Radio Farda in Prag. „Sedaye digar“ war die erste persischsprachige Sendung, die am 6. Februar 2009, dem internationalen Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung, über dieses Thema berichtete. Seitdem hat Karimi Majd regelmäßig Beiträge dazu gemacht. 2015 wurde sie für ihre Berichterstattung über Genitalverstümmelung im Iran mit dem goldenen Preis des „New York Festival International Radio Program Awards“ ausgezeichnet.