Was es heißt, heutzutage Iranerin zu sein

Diese Feststellung wirkt noch bitterer, wenn man an die Zukunft denkt. Nicht die abstrakte Zukunft, die noch hoffnungsvoll sein darf, sondern die reale Zukunft, deren Wurzeln in der gegenwärtigen Misere stecken.
Immer mehr Menschen im Iran rutschen in Armut und Elend. Die Lebenskosten steigen stetig, Arbeits- und Obdachlosigkeit wachsen rasant. Die Begriffe, die die Not der Menschen beschreiben sollen, und die Bilder, die daraus entstehen, sind furchterregend. Diese Furcht spürt man jedoch aufgrund der täglichen Wiederholung nicht mehr. Zwischen der Beschreibung der Misere und dem Leben in dieser Misere ist eine Kluft entstanden, die uns nach und nach den Impuls raubt, Anteil an der Not zu nehmen.
Die Worte und Bilder wiederholen sich, wir gewöhnen uns an sie: an die Obdachlosen, an diejenigen, die in Gräbern übernachten, an jene, die ausgeraubt worden sind, an die Scharen von Kindern, die den Müll aufwühlen und ihre Beute in Säcken hinter sich herziehen, die größer sind als sie selbst. An die Telefonnummern derjenigen, die ihre Organe oder ihre Neugeborenen verkaufen, aufgeklebt an jeder Laterne. An Kinderehen. An Bilder von durch Erdbeben oder Überschwemmungen obdachlos gewordene Menschen. An Bilder verbrannter Wälder und fortschreitender Dürre.

Die Gefahr des Kriegs und die anhaltende Unterdrückung

Die unselige Gefahr des Kriegs liegt in der Luft: Davon ist die Rede wie von einem makabren Gerücht. Das schürt Angst und Wut – und wird zugleich nicht ernst genommen. Ist es die alltägliche Last des Lebens auf den Schultern der Menschen, die die Gefahr des Kriegs so an den Rand drängt? Eine Gefahr, die so nah ist wie noch nie. Wer sich im Heute nicht zurechtfindet, denkt und handelt auch nicht im Sinne des Morgen.

Die USA rüsten im Persischen Golf auf - Foto: www.yjc.ir
Die USA rüsten im Persischen Golf auf – Foto: www.yjc.ir

 
Die Unterdrückung wächst ständig und nimmt immer perfidere Züge an. Unterschiedliche Bereiche des Lebens sind davon betroffen: politische, soziale und wirtschaftliche Proteste, Wasserspiele von Jugendlichen im Park, tanzende Kinder auf dem Schulhof, die locker sitzenden Schleier der Frauen in ihren eigenen Autos. Unterdrückt wird alles – im ganzen Land. Diese Unterdrückung verhindert organisierte Proteste und kennt keine Gnade mit denjenigen, die die totale Vormundschaft des Regimes auch nur ansatzweise in Frage stellen.
Unauflösliche Blockaden und tief sitzende Perspektivlosigkeit lassen Wut, Hass und Enttäuschung entstehen. Wie Termiten fressen diese Gefühle die Menschlichkeit und die Zivilgesellschaft auf.
Die Einen schlagen aus dieser Wut und dem Hass politisches Kapital. Mit ihren aufreißerischen Parolen gießen sie Öl ins Feuer und verbreiten Zorn und Rachegelüste, die sich durch die sozialen Netzwerke blitzschnell verbreiten. Die Anderen bagatellisieren die Krise und lassen unter dem Motto „Reformierbarkeit des Regimes“ Trugbilder entstehen. Sie warnen andauernd, plädieren für faule Kompromisse und verbreiten Armseligkeit und Heuchelei. Und weder die Einen noch die Anderen können das Leid dieser Gesellschaft lindern. Sie sind keine Lösung, sondern Bestandteil der Krise.

Makabre Einbrüche

In den vergangenen Wochen wurde noch dreimal in das Haus meiner Eltern in Teheran eingebrochen. Da ein Einbruch über den Hof und durch den Eingang des Hauses kaum möglich ist, nahmen die Täter andere Wege. Das erste Mal kletterten sie mit einem Seil durch ein 80 Zentimeter breites Dachfenster nach unten und gingen auch wieder dort heraus. Das Dachfenster wurde danach zubetoniert.

Haben die "Diebe" im Haus des Forouhars nach etwas Bestimmtem gesucht? Foto: Parastou Forouhar
Anscheinend haben die „Diebe“ im Haus des Forouhars nach etwas Bestimmtem gesucht! Foto: Parastou Forouhar

 
Das zweite Mal waren die Einbrecher gerade dabei, das Fenstergitter des Balkons im Obergeschoss zu durchbiegen, als ein Nachbar die Polizei verständigte. Diese kam eine halbe Stunde später. Eine zweite Reihe Gitter wurde danach entlang der Fensterreihe installiert.
Der jüngste Einbruch erfolgte durch ein kleines, vergittertes Fenster neben der Tür zum Dach, das aus dem Mauerwerk herausgerissen wurde. Das Fenster wurde danach zugemauert.
Das Haus, das an die Ideale seiner einstigen Bewohner und an ihren Kampf für die Freiheit erinnern soll, mussten wir mit weiteren Gittern umzäunen, seine Türen mit immer noch mehr Schlössern versperren. Was für ein zynischer Widerspruch.

Screenshots statt Schreiben
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