Nirgendwo ist überall. Iranische Exilverlage

„In der iranischen Welt geht es dem Buch nicht gut“, so beginnt Nazmjou seinen Bericht und beschreibt die Welt als einen Kulturraum, in dem es um 100 Millionen potentielle Leser geht, im Iran, in Afghanistan, in Tadschikistan und natürlich in einer Diaspora von mehreren Millionen Menschen, zerstreut über den Erdball, von Australien bis Amerika, von Malaysia bis Europa.
Er berichtet, wie er kurz nach der Verlagsgründung fast alle ihm bekannten AutorInnen im Iran kontaktiert und ihnen angeboten hat, ihre Manuskripte bei ihm zu publizieren. Die Antworten, die er bekam, sind erheiternd und lehrreich zugleich. Man erfährt, wie Zensur funktioniert, wer die Zensoren sind, welche Worte und Begriffe tabu sind und wie zurückgeschickte Manuskripte nach ihrer Ablehnung oder „Verbesserung“ aussehen.
Nazmjou schätzt die Zahl der potentiellen LeserInnen in der Diaspora auf zehn Millionen, seinen Kunden versendet er Manuskripte und stellt ihnen E- und Papierversion (printed on demand) zur Verfügung. InteressentInnen aus dem Iran bietet er Downloads und E-Books an. Sein Verlag erhalte zahlreiche Manuskripte aus dem Iran, hauptsächlich solche, die an den dortigen Zensurbehörden gescheitert seien. Doch „wir wählen nur einige zur Veröffentlichung aus“, sagt Nazmjou und wiederholt seine Maxime: „Entscheidend ist die Textqualität.“
Weltautoren auf Persisch

"Nach dem Erdbeben", von Haruki Murakami, auf Persisch - Naakojaa-Verlag
„Nach dem Erdbeben“, von Haruki Murakami, auf Persisch – Naakojaa-Verlag

2014 startete Naakojaa ein neues Projekt. Der Verlag begann, persischsprachige Fassungen der Bücher von Marguerite Duras, Romain Gary, Julian Barnes und Haruki Murakami zu publizieren. Zugleich ist Naakojaa so etwas wie das persische Amazon. Der Verlag bietet seinen Kunden nicht nur die eigenen oder im Iran veröffentlichte Bücher an, sondern auch die der Konkurrenten, also anderer Exilverlage. Mehr noch: Auf dem Portal von Naakojaa wird für diese Konkurrenten sogar geworben, sie sind dort mit eigenen Logos und Angeboten präsent.
Schwieriges Dasein
Nicht alle iranischen Exilverlage sind so breit aufgestellt wie Naakooja. Die meisten sind überwiegend mit Exilliteratur befasst. Verständlich, dass die Zahl ihrer Publikationen überschaubar ist, manche von ihnen verlegen nicht mehr als zwei bis drei Bücher im Jahr. Sie nennen sich zwar Verlage, doch sind meist eher Buchhandlungen mit all den Problemen, mit denen sich kleine Buchläden auseinandersetzen müssen.
Hinzu kommt, dass sie ein sehr kleines Marktsegment bedienen: Exilierte, die immer noch an persischer Literatur und Sprache interessiert sind. Dennoch findet man persische Buchläden in fast allen deutschen Großstädten wie in Berlin, Hamburg, Köln oder München. Und auch in vielen Universitätsstädten, etwa in Bochum, Marburg oder Dortmund, findet man engagierte iranische Buchhändler, die von ihren Geschäften oft mehr schlecht als recht leben können. Eine Umfrage des Iran Journal unter diesen Geschäften ergab, dass keiner der Buchhändler vom Buch allein leben kann. Manche Buchläden verkaufen persische Spezialitäten, andere wie Aida in Bochum und Forugh in Köln sind zugleich Orte für Veranstaltungen. Bücher in Papierform würden immer weniger verkauft und das E-Book sei noch die Ausnahme, so die Buchhändler. Manche wollen gar die Papierform auf ein Minimum reduzieren und ganz zur E-Book-Version übergehen.
  ALI SADRZAEH
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