Immer mehr psychische Erkrankungen in der Islamischen Republik

Neuen Angaben des iranischen Gesundheitsministerium zufolge leidet mit 23 Prozent fast ein Viertel der IranerInnen an seelischen Störungen. Experten schätzen die Zahl noch höher.
Im Wahlkampf vor der Präsidentschaftswahl am 14. Juni sprachen die Kandidaten und ihre Berater viele der wunden Punkte im Iran an: Marode Wirtschaft, Arbeitslosigkeit, internationale Sanktionen, politische und persönliche Freiheiten und vieles mehr. Ein Thema, das dabei kaum Beachtung fand, aber Fachleute und Medien nachhaltig beschäftigt, ist die Anzahl der psychisch Kranken im Iran.
Der ehemalige Stellvertreter des iranischen Gesundheitsministers, Aliakbar Sayari, beriet den Reform-Kandidaten Mohammed Resa Aref während seiner Wahlkampagne. In einer Rede äußerte er sich besorgt über die Zunahme psychischer Erkrankungen im Iran. Ihm zufolge ist die Anzahl der IranerInnen mit psychischen Störungen von 21 Prozent im Jahr 2001 auf 34 Prozent 2008 gestiegen: „Tendenz weiter steigend“, wie die Nachrichtenagentur Mehr berichtete. Sayaris Einschätzung nach leiden derzeit etwa 40 Prozent der iranischen Bevölkerung an seelischen Beschwerden.
Unterschiedliche Zahlen

Im Iran sind Frauen 6 Prozent mehr von seelischen Leiden betroffen als Männer
Im Iran sind Frauen 6 Prozent mehr von seelischen Leiden betroffen als Männer

Über psychische Erkrankungen im Iran und deren Wachstumsrate wurden in den vergangenen Jahren unterschiedliche Statistiken veröffentlicht. In einem Punkt sind diese sich einig: Die Anzahl der Betroffenen steigt. Dem stimmt auch die stellvertretende Gesundheitsministerin Fateme Rakhshani zu. Der Nachrichtenagentur Fars sagte sie vor einigen Tagen: „In den vergangenen Jahren ist der Anteil der psychisch Erkrankten von 19 auf 23 Prozent der iranischen Bevölkerung gestiegen.“ Über die jährliche Wachstumsrate könne sie keine Angaben machen, so Rakhshani. Ahmad Nurbala ist Mitglied des wissenschaftlichen Rates der medizinischen Universität Teheran. In einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur ISNA sagte er im Oktober 2012, laut einer Untersuchung der Jahre 1999 bis 2008 habe die Zahl psychisch Kranker im Iran 34 Prozent überschritten.
Mangelnde Behandlung
Im Iran stehen nur 1.000 Betten für psychisch Kranke zur Verfügung - Foto: mehrmedicine.com
Im Iran stehen nur 1.000 Betten für psychisch Kranke zur Verfügung – Foto: mehrmedicine.com

Fateme Rakhshani räumte der Nachrichtenagentur Fars gegenüber Unzulänglichkeiten bei der Behandlung ein: „Maßnahmen für die seelische Gesundheit spielen in der Tätigkeitsstruktur des Gesundheitsministeriums keine wichtige Rolle.“ Ihr zufolge sind sechs Prozent mehr Frauen von seelischen Leiden betroffen als Männer. Am häufigsten klagten sie über Depressionen. Dass iranische Frauen häufig unter Depressionen litten, verstehe sich von selbst, meint der iranische Soziologe Amanolah Gharaimoghadam. Der Zeitung Bahar sagte er Anfang Juni: „Im Iran ertragen die Frauen jede Menge wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und schließlich psychischen Druck.“
Für Aliakbar Sayari sind Armut und Arbeitslosigkeit Hauptgründe der zunehmenden Verbreitung seelischer Störungen. Zur Behandlung der psychischen Probleme fehle im Iran nicht nur ein konkretes Programm der Gesundheitsbehörde: Nur 1.000 Betten stünden dafür zur Verfügung, 400 davon in Teheran.
AB