Immer mehr Arbeiterproteste in Iran

In den letzten Monaten haben Streiks und Proteste der Arbeiter in verschiedenen Regionen Irans zugenommen. Der wichtigste Grund dafür sind ausbleibende Lohnzahlungen. Mehr als 40 Prozent der iranischen Arbeiter leben unter der Armutsgrenze.
Seit über 10 Tagen streiken etwa 400 Mitarbeiter der Firma Kayson in Khusestan im Süd-Iran. Sie sollen in den letzten sieben Monaten keinen Lohn erhalten haben. Zwar wurde vor wenigen Tagen ein Monatslohn nachträglich ausgezahlt. Aber der Streik geht mit der Forderung nach der gesamten Lohnnachzahlung weiter.
Kayson ist eine private Firma, die Dienstleistungen im Bau- und Ingenieurswesen anbietet. Die streikenden Arbeiter waren in einem Projekt für den Bau der Metro in Ahvaz beschäftigt.  Der Geschäftsführer der Metro sagte der Nachrichtenagentur ILNA: „Alle Forderungen der Firma Kayson wurden von uns beglichen. Die Verantwortlichen der Firma haben diese Gelder aber für andere Dinge ausgegeben.“
Landesweite Proteste
In der Stadt Sanandadsch (Kurdistan) protestieren 200 Arbeiter in einer Weberei, und etwa 1.500 Arbeiter des größten Textilherstellers „Sadalan“ in Ardebil, verlangen ihre Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. Zudem streiken seit zehn Tagen die Schmiede der Traktorfabrik in Täbris. Iranischen Experten zufolge sind die Hauptgründe dafür die Insolvenz von Fabriken, der planlose Import von Waren sowie marode und veraltete Produktionsanlagen.

Mindestlöhne iranischer Arbeiter

Laut offiziellen Zahlen leben 43 Prozent der iranischen Arbeiter unter der Armutsgrenze. Der Oberste Rat der Arbeit, ein staatliches Organ, hat den Mindestlohn eines Arbeiters für das aktuelle iranische Kalenderjahr auf 330.300 Tuman (ca 210 €) pro Monat festgelegt. Doch etwa jeder zweite Arbeiter in Iran erhalte weniger als den jährlich festgesetzten Mindestlohn, sagt der Dachverband iranischer Handelsverbände. Das bedeute, dass sowohl die Arbeitgeber wie auch der Staat ihre eigenen Regeln missachten würden.
Die Steigerungsrate der Mindestlöhne iranischer Arbeitnehmer beträgt weniger als 50 Prozent der von der iranischen Zentralbank veröffentlichten Inflationsrate. Im Juli 2011 betrug die Inflationsrate 16,3 Prozent. Experten weisen deshalb immer wieder daraufhin, dass die festgesetzten Mindestlöhne nicht einmal das Existenzminimum einer einzelnen Person deckten.
Gewerkschaften und Interessenverbände

Mansoor Osanlou, einer der Arbeitsaktivisten in Teheran, wurde in den letzten Jahren mehrfach verhaftet und misshandelt.
Mansoor Osanlou, einer der Arbeitsaktivisten in Teheran, wurde in den letzten Jahren mehrfach verhaftet und misshandelt.

Iranische Arbeiter haben im Allgemeinen keine Möglichkeiten, sich in Gewerkschaften zu organisieren. Die Errichtung von Arbeitergewerkschaften und Interessenverbänden ist nur mit der Erlaubnis des Arbeitsministeriums möglich. Die wenigen unabhängigen Arbeiterverbände wie der Freie Verband Iranischer Arbeiter, die Arbeitergewerkschaft der Busfirmen von Teheran und Umgebung sowie die Gewerkschaft der Rohrzuckerfabrik von Hafttapeh werden bei staatlichen Entscheidung – wie etwa Änderungen des Arbeitsrechts oder der Mindestlöhne – nicht einbezogen oder gefragt.  Daher sind die mehr als 25 Millionen Arbeiterfamilien Irans mit zahlreichen Problemen konfrontiert, für die keine Lösungen in Sicht sind: Zum einen werden die Löhne nicht regelmäßig gezahlt. Zum anderen stehen sie unter keinem besonderen Arbeitsschutz. Sie haben keine Arbeitslosenversicherung und ihre Krankenversicherung ist ungenügend oder minderwertig. Des weiteren haben sie oft zeitlich befristete Arbeitsverträge.
Unterdrückung der Arbeiteraktivisten
Trotz der Ablehnung und des Widerstands der Regierung kämpfen iranische Arbeitsaktivisten für die Rechte der Arbeiter. In den letzten Jahren wurden viele der angesehen Aktivisten mehrfach verhaftet, von ihrer Arbeit entlassen oder bedroht. Die letzten Fälle: Vor etwa zwei Wochen wurde Kourosh Bakhshande in Sanandadsch verhaftet. Er ist Mitglied eines Komitees zur Errichtung von Arbeiterverbänden.
In den letzten Monaten wurden zudem sechs Arbeiteraktivisten in Teheran und Täbris verhaftet. Der Internationale Bund Freier Gewerkschaften hat als Reaktion darauf einen Brief an das Staatsoberhaupt Ayatollah Chamenei verfasst. Darin protestiert er gegen die Verhaftungen und fordert die Freilassung der Inhaftierten. Der Bund hat deutlich darauf hingewiesen, dass der Iran als Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation verpflichtet ist, das Recht der Arbeiter auf die Gründung von Gewerkschaften anzuerkennen.