„Ein Film ist Ausdruck einer Haltung“

Filmemacher im Iran zu sein ist offensichtlich kein einfacher Beruf. Aus hanebüchenen Gründen werden Regisseure festgenommen und oft ohne richtiges Gerichtsverfahren verurteilt. Jüngstes Beispiel ist der mehrfach preisgekrönte Regisseur Jafar Panahi, der zu sechs Jahren Haft und einem 20-jährigen Berufs- und Ausreiseverbot verurteilt wurde. Mehrere iranische Filmemacher im Exil haben sich nun zusammengeschlossen und einen Brief verfasst, um auf die Situation ihrer Kollegen im Iran aufmerksam zu machen. TFI sprach mit Ali Samadi-Ahadi, Filmemacher (u. a. „Salami Aleikom“) und einer der Initiatoren der Aktion.

TFI: Herr Samadi-Ahadi, was genau fordern Sie in Ihrem Brief?
Wir fordern die westlichen Staaten auf, offiziellen Vertretern der iranischen Fernseh- und Kinoinstitutionen solange keine Einreiseerlaubnis zu gewähren, wie Filmschaffende im Iran inhaftiert, gefoltert und ihrer Rechte beraubt werden. Denn diese Organisationen arbeiten bei der Unterdrückung der Filmschaffenden mit dem Regime zusammen. Zahlreiche Dokumentarfilmer und Schauspieler wurden in der letzten Zeit verhaftet, zu hohen Haftstrafen verurteilt oder gefoltert. Mojtaba Mirtahmaseb oder Katayun Shabi sind ohne Anklage seit Wochen in Einzelhaft. Ein Gericht in Teheran bestätigte das Urteil gegen Jafar Panahi, einen der renommiertesten Filmschaffenden Irans. Ihm drohen sechs Jahre Haft und 20 Jahre Berufs- und Ausreiseverbot. All dies bedeutet das Aus für die iranische Kulturszene, deren Angehörige letzten Endes Vertreter der iranischen Gesellschaft sind. Wir verlangen, dass alle Personen und Mechanismen, die die Künstler in ihrem Handeln, in ihrer Arbeit behindern, ihnen ihre Grundrechte entziehen, von westlichen Staaten verurteilt und sanktioniert werden.
TFI: Wer hat beim Verfassen dieses Schreibens mitgewirkt?
Es sind namhafte Filmschaffende, die im ausländischen Exil leben – wie zum Beispiel Shirin Neshat, Golshifte Farahani, Marjan Satrapi, Maziar Bahari, meine Wenigkeit und viele andere. Insgesamt sind es fünfzehn Regisseure, Schauspieler und Produzenten, die diesen Brief unterschreiben haben.
TFI: Sie sprachen von der künstlerischen Gesellschaft im Iran. Wenn es die gibt, wie frei kann sie denn tatsächlich dort agieren?
Wenn wir von der iranischen Filmbranche sprechen, ist diese in den letzten zwei Jahren eigentlich zum Erliegen gekommen. Es ist für iranische Filmschaffende nicht mehr ohne weiteres möglich, Filme zu machen. Die Möglichkeiten für halbwegs freie Produktionen, die es bis zu den Wahlen im Jahr 2009 gab, wurden komplett vernichtet und abgeschafft. Im Grunde genommen ist dieser Kunstzweig in eine Sackgasse geraten. Seine renommiertesten Vertreter sind entweder inhaftiert, befinden sich im Ausland oder sind mundtot gemacht worden – wie Abbas Kiarostami, Jafar Panahi, Majid Majidi, Mohammad Rasoulof, Asghar Farhadi. Alle diese Menschen können im Iran keine Filme mehr machen.
TFI: Welche Beziehungen haben Sie und die anderen iranischen Filmemacher im Ausland zu den Filmschaffenden im Iran?
Jeder hat seine eigenen privaten Verbindungen zu den iranischen Kollegen. Es gibt natürlich keine Organisation, die diese Netzwerke pflegt. Aber jeder von uns hat Kontakte in die iranische Filmbranche.
TFI: Sie haben die meiste Zeit ihres Lebens, nämlich 26 Jahre, in Deutschland verbracht, haben hier studiert. Was bewegt Sie persönlich, sich für den Iran zu engagieren?

Ali Samadi-Ahadi
Ali Samadi-Ahadi

Der Iran ist ein Teil meiner Heimatdefinition. Er ist genau so meine Heimat, wie Deutschland meine Heimat ist. Ich habe Familie, Freunde und Verwandte dort. Das ist ein Teil meines Lebens. Ich fühle mich ihnen verpflichtet und versuche mich für sie einzubringen. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite habe mich als Filmschaffender auch für die Kindersoldaten in Uganda eingesetzt. Warum sollte ich mich nicht auch für die Demokratiebewegung im Iran einsetzen? Wenn wir in Deutschland unser Grundgesetz ernst nehmen, die Frage der Menschenrechte und Demokratie ernst nehmen, dann ist es unsere Pflicht, uns über Grenzen hinweg für Freiheitsbewegungen einzusetzen.
TFI: Sie sind in erster Linie Filmemacher. Aber in letzter Zeit hat man den Eindruck, dass Sie sich eher für Politik als für ihren Beruf engagieren. Stehen neue Projekte an?
Meine Themen sind meist gesellschaftliche Themen. Das wird auch bei meinem nächsten Film so sein. Anfang nächsten Jahres werde ich eine Komödie über Israelis und Palästinenser drehen. Aber danach werde ich mich einem Kinderfilm widmen.
TFI: Welche Verbindung gibt es zwischen Filmemachen und Politik?
Ich sehe keine Trennung zwischen zivilgesellschaftlichen Aktivitäten und meiner künstlerischen Arbeit. Die Kunst, die ich mache, empfinde ich als eine Art Übersetzung meiner zivilgesellschaftlichen Haltung. Bei einem Verein mitzumachen, der versucht, mit Nachrichten aus dem Iran oder mit Konferenzen die Zivilgesellschaft voranzubringen, einen entsprechenden Diskurs in der Gesellschaft zu initiieren, ist letzten Endes genau so ein Ausdruck meiner Haltung wie ein Film.
TFI: Sie haben den Verein angesprochen. Sie sind in dem Kölner Verein „Diwan“ aktiv und auch im Vorstand von TFI. Was ist die Aufgabe dieser Vereine?
Den Verein Transparency for Iran haben wir kurz nach den iranischen Wahlen 2009 gegründet. Sein Ziel ist es, die zivilgesellschaftliche Bewegung im Iran auch ins Bewusstsein der deutschen Gesellschaft zu bringen. Viele iraninteressierte Deutsche, viele Iranstämmige der zweiten oder dritten Generation in Deutschland können keinen Persisch und haben keinen Zugang zu iranischen Nachrichten. Trotzdem interessieren sie sich für die Ereignisse im Iran. TFI hat sich zur Aufgabe gemacht, diese Lücke durch deutschsprachige Nachrichten und Informationen über den Iran zu füllen. Außerdem organisieren wir Konferenzen und Talkrunden zu Themen und Diskursen, die im Iran wichtig sind, um diese Themen sowohl in die deutsche Gesellschaft wie auch in die hiesige iranische Diaspora, aber auch in die iranische Gesellschaft hinein zu reflektieren.
Diwan wiederum ist ein Kulturverein, der ein Zentrum bildet für Iraninteressierte oder Iranstämmige, die in Deutschland leben und bestimmte Bedürfnisse und Sehnsüchte haben, die sie in der deutschen Gesellschaft nicht erfüllen können. Das können Lyrikabende oder iranische Filmabende sein, es kann Persisch-Unterricht sein oder eine persischsprachige Bibliothek, es können auch Talkrunden auf Persisch sein. Diwan ist ein Verein, der hauptsächlich von der zweiten und dritten Generation der iranischen Community in Deutschland aufgebaut wurde.
Am 11. und 12. November gibt es in Berlin eine große Iran-Konferenz „Inside Iran“, organisiert von TFI und der Bundeszentrale für politische Bildung. Welchen Hintergrund hat diese Konferenz und welche Themen stehen dort auf der Agenda?
Im Grunde genommen geht es bei der Konferenz um ein Resümee der letzten 32 Jahre im Iran. Der Schwerpunkt liegt auf den vergangenen zwei Jahren und den Veränderungen, die in der iranischen Zivilgesellschaft stattgefunden haben. Die Konferenz umfasst drei Panels, zu denen sehr namhafte Iran-Kenner und –Experten aus Gesellschaft und Politik erwartet werden, um über die jüngsten Ereignisse im Iran zu diskutieren. Dabei werden Menschenrechtler sein wie Abdolkarim Lahidgi und Frauenrechtler wie Mehrangiz Kar oder Payam Akhavan. Auch der CDU-Politiker Ruprecht Polenz wird da sein. Die Liste ist also lang. Die Teilnahme an der Konferenz steht übrigens jedem frei.
Interview: Bamdad Esmaili
Zur Person:
Ali Samadi-Ahadi wurde in der iranischen Stadt Täbriz geboren und kam 1985 nach Deutschland. Seit 1996 macht er Filme, u. a. Lost Children, Salami Aleikom, The Greenwave. Samadi-Ahadi ist der erste Vorsitzende der Vereine „Transparency for Iran“ und „Diwan Deutsch – Iranische Begegnungen“ .