Die Angst der Mächtigen vor Wasserpistolen

Eine „Wasserschlacht“ im Teheraner „Wasser und Feuer Park“ führt zur Verhaftung von Jugendlichen, löst eine unerwartete Diskussion aus und zeigt einmal mehr die Uneinigkeit der Machthaber auf. Junge Iraner sehen die nervöse Reaktion der Polizei und der staatsnahen Medien als Zeichen einer weiteren Schwächung des Regimes.
Googelt man den Begriff „Wasserschlacht“ auf Persisch – „Ab Bazi“ -, bekommt man mehr als 800.000 Ergebnisse. Zu den neuesten Einträgen gehören Berichte von Wasserschlachten in Teheran und Bandar Abbas, einer Hafenstadt im Süden Irans. Die letztere fand am 6. August statt.
Auf den Fotos und Videos der „Flashmobs“ aus der ganzen Welt erkennt man das, was eine Wasserschlacht ist: harmloser Spaß. Im Iran soll aber dieser Spaß unterbunden werden. Bei der Wasserschlacht in Bandar Abbas wurden nach Angaben von Polizeikommandeur Khodadad-Zadeh „30 Jungen und Mädchen“ vorläufig verhaftet. Den mit Wasserpistolen und Plastikflaschen bewaffneten Jugendlichen wurde „unmoralisches Handeln“ und „Missachtung gesellschaftlicher Normen“ zur Last gelegt.
„Weltkrieg mit Wasserpistolen“
Auch den „Übeltätern“ von Teheran erging es ähnlich. Im staatlichen Fernsehen berichteten die verhafteten Jugendlichen, mit dem Rücken zur Kamera, von dem Ereignis in dem Teheraner „Wasser und Feuer Park“. Sie hätten sich nach einem Aufruf im Facebook dazu entschlossen, an dem „Weltkrieg mit Wasserpistolen“ teilzunehmen. Der Bericht suggeriert Reuebekenntnis.
Seit nun mehr als eine Woche beschäftigen sich iranische Medien, Online-Magazine und Internet-User mit diesen Wasserspielen. Sogar Parlamentsabgeordnete und hohe Würdenträger meldeten sich zu Wort und geißelten den „Sittenverfall“. Ahmad Roozbahani, Chef der Sittenpolizei forderte die „harte Bestrafung der Straftäter“.  Der Ultrakonservative Parlamentsabgeordneter Hossein Ebrahimi sprach von einer „beschämenden und abscheulichen Tat“.
„Politisches Komplott der Feinde der Republik“
„Bultannews“,  ein den Sicherheitsorganen nahestehendes Onlinemagazin schrieb von einem „ politischem Komplott seitens der Feinde der Islamischen Republik“. Die Wahrheit sei, „dass der Cyberkrieg schon längst begonnen hat. Er bereitet sich in Form von Einflussnahme auf Jugendlichen in den sozialen Netzwerken aus. Wir müssen handeln, bevor es zu spät ist und bevor wir große Verluste hinnehmen“.

Wasserpistolen in Teheran

Es gab aber auch mahnende Worte bei jenen Konservativen, die einen größeren Druck auf die Jugendlichen als „systemgefährdend“ einstufen. „Die unumstrittene Wahrheit ist“, so „Asre Iran“, ein Nachrichtenportal der gemäßigten Konservativen,  „dass die junge iranische Gesellschaft an einem Mangel an Freizeitbeschäftigung und Freude leidet. Die Jugend hat wenige Möglichkeiten, ihre Energie für Sinnvolles zu verwenden. (…) Durch Beten in den Moscheen oder in Klausur gehen, kann man die unterschiedlichen Bedürfnisse der Jugend nicht stillen.“
Kommunikation und Provokation
In den letzten Jahren fanden immer wieder Wasser-, Tomaten- oder Farbenschlachten in den Teheraner Parks statt. Auch sie wurden, wie die jüngsten Wasserspiele, von den jugendlichen per Internet oder Mobiltelefon organisiert. Doch warum reagiert das Regime diesmal so empfindlich?
Viele politische Beobachter sehen in den harmlosen Spielen bewusste zivile Protestaktionen. Der in Berlin lebende Oppositionelle Mehran Berati ist der Meinung, dass Aktivitäten wie die Wasserschlachten „eine Reaktion der unzufriedenen Jugend“ auf die neuen Maßnahmen des Regimes zur Islamisierung des öffentlichen Raumes sind. Zu diesen Maßnahmen gehören die Trennung der Geschlechter an den Unis, der Plan zur Schaffung eines „nationalen Internets“, um die Netzaktivitäten stärker zu kontrollieren, und die Beschlagnahme der Sattelitenschüssel, um den Empfang von ausländischen Sendern zu unterbinden.
„All diese Einengungen bringen die Jugend auf neue Ideen, um die Kontrollen zu umgehen, um das kommunikative soziale Leben aufrecht zu erhalten, und um einfach nicht unterzugehen“, so Mehran Barati.
Die Reaktionen der Internet-User
Die Teheraner Wasserschlacht fand auch in den persisch-sprachigen Weblogs eine beachtliche Resonanz. Viele Blogger sehen die harsche Reaktion der Verantwortlichen als ein Zeichen dafür, dass das Regime weiter geschwächt sei und sich vor jeder Art der Versammlung von jungen Menschen fürchte.
Der Blogger Ebrahim Salak schreibt in „Khodnevis“: „Diese jungen Menschen waren keine politischen Aktivisten. Sie waren nicht aggressiv. Dass gerade diese Menschen ihr Vorhaben erfolgreich organisiert haben, jagt dem System Angst ein“.
Auch die Nutzer der Social Media wie Facebook und Twitter mischten sich in die zum Teil hitzigen Diskussionen ein.
Seit dem 4. August gibt es auch eine persisch-sprachige Wikipedia-Seite zu „Wasserschlacht“. Der Wikipedia-Artikel endet mit einem Zitat von Radio Free Europe: „Iran, wo man wegen Teilnahme an einer Wasserschlacht verhaftet wird.“