Der Iran trauert

Die Zahl der Opfer von zwei schweren Erdbeben in der nordwestiranischen Provinz Ost-Aserbaidschan steigt weiter an: 300 Tote und mehr als 2.000 Verletzte. Das Innenministerium hat angekündigt, die Rettungsaktionen seien beendet. Die ersten Kritiken gegen die Regierung werden laut. 
Angaben der iranischen Nachrichtenportale zufolge sind etwa zwölf Dörfer völlig zerstört und in mehr als 60 Dörfern bis zu 60 Prozent der Häuser beschädigt worden. In den Städten Tabriz (Täbris), Ahar und Varzaghan brach Panik aus. Viele Bewohner verbrachten die Nacht im Freien. Die Rettungsmannschaften suchten verzweifelt mehr als 20 Stunden nach Überlebenden. Dutzende Verletzte starben in den Spitälern der Millionenstadt Tabriz (Täbris). Das erste Beben ereignete sich am Samstag, um 16.53 Uhr Ortszeit (14.23 Uhr MESZ). Dem seismologischen Institut der Universität Teheran zufolge hatte das Beben eine Stärke von 6,2. Elf Minuten später ereignete sich das Nachbeben mit einer Stärke von 6,0. Das Epizentrum des Erdbebens lag etwa 60 Kilometer von Tabriz entfernt. Insgesamt soll es 55 Nachbeben gegeben haben. Laut der US-Bebenwarte sollen die beiden großen Erdstöße eine Stärke von 6,4 beziehungsweise 6,3 gehabt haben. Sie ereigneten sich demnach in ca. zehn Kilometern Tiefe.Die Regierung gab bekannt, dass 92 Rettungsmannschaften mit 863 Helfern im Einsatz seien und in der Stadt Ahar ein Feldlager aufgeschlagen sei. Inzwischen haben viele Länder und das internationale Rote Kreuz ihre Hilfe angeboten. Der iranische Rote Halbmond lehnte jedoch die Hilfsangebote ab.
Erste Kritiken
Laut der halbamtlichen Nachrichtenagentur MEHR gebe es einen großen Bedarf an Nahrungs- und Arzneimittel. MEHR zufolge sollen in den ersten Stunden nach der Katastrophe nur zwei Allgemeinärzte in dem einzigen Krankenhaus der Stadt Ahar im Einsatz gewesen sein. In den meisten Dörfern gibt es kein Strom. Auch Trinkwasser stellt ein Problem dar.  Nach Aussagen von  Gholamreza Masoumi, Chef der iranischen Ambulanz, seien die meisten Opfer durch Explosionen von Gasleitungen ums Leben gekommen sein. Er sagte, seine Behörde habe die staatliche Gasversorgungsorganisation vor der Katastrophe auf die mangelnden Sicherheitsvorkehrungen bei den Gasleitungen hingewiesen, doch niemand habe darauf reagiert. 

Der Erdbebenexperte Professor Bahram Akasheh sagte im Gespräch mit der amtlichen Nachrichtenagentur ILNA, Erdbeben dieser Stärke dürften nicht so viele Opfer fordern. Dies zeige, so der Fachmann, dass die Verantwortlichen in Bezug auf Vorkehrungen nicht richtig gehandelt hätten. Es sei ein Glück im Unglück, dass das Beben am späten Nachmittag geschehen sei. Wäre das Unglück in der Nacht passiert, hätte es Tausende Todesopfer gefordert, glaubt Akasheh. Er kritisierte auch die fehlende Infrastruktur in den iranischen Dörfern und Städten, die im Falle eines Erdbebens mit der Stärke 7 katastrophale Folgen haben könnten. In der Stadt Ahar gibt es laut iranischen Websites ein kleines Krankenhaus, das nicht genügend Kapazitäten für die Aufnahme der Verletzten hat. Deshalb mussten die meisten Opfer nach Tabriz gefahren werden. Im Iran ereignen sich häufig Erdbeben, weil dort mehrere tektonische Platten aufeinander treffen. Eines der schwersten Beben in der neueren iranischen Geschichte geschah im Dezember 2003 in der Stadt Bam, im Südosten des Landes. Dabei starben etwa 30.000 Menschen.
FP