Verhaftung von Partygästen und Aus für die Nationalmannschaft

Überraschend ist die iranische Fußballnationalmannschaft im Viertfelfinale der Asienmeisterschaften gegen Außenseiter Irak ausgeschieden. Im Internet zeigen sich Fans wütend, aber auch stolz. Ein weiteres Thema der iranischen Web-UserInnen: Razzien auf Partys in Mashad und Amol.

Die iranische Fußballnationalmannschaft ist im Viertelfinale der Asienmeisterschaften in Australien überraschend ausgeschieden. Die Iraner scheiterten beim Elfmeterschießen an der Auswahl des Irak. Nach 120 Minuten hatte es in einer dramatischen Partie zwischen den Teams 3:3 unentschieden gestanden – zwei Mal hatte es der Iran kurz vor Spielende noch geschafft, den Ausgleich zu erzielen.
Das Team Melli, wie die iranische Nationalmannschaft genannt wird, musste dabei ab der 42. Minute mit einem Mann weniger spielen. Der australische Schiedsrichter Ben Williams hatte den Verteidiger Mehrdad Pooladi nach seiner zweiten gelben Karte vom Platz gestellt – eine Entscheidung, für die der Unparteiische sowohl von Fußballexperten wie auch von iranischen Fußballfans massiv kritisiert wurde: „Ich will nicht behaupten, dass Ben Williams bestechlich ist. Er ist einfach nicht qualifiziert genug, um ein Spiel zu pfeifen. Er sollte nicht nur zu Schiedsrichterkursen des Weltfußballverbands, sondern auch zu einem Augenarzt gehen“, schreibt etwa Adesor Vafaseya im Diskussionsforum des bei vielen IranerInnen sehr beliebten Fußballportals PersianFootball.com (PFDC).

„Absolut unglaublich,“ schreibt User Khodam, „woher kommen bloß diese Schiedsrichter? Aus einer Cornflakes-Schachtel?“ PFDC-Mitglied Hadi schreibt: „Diese Schiedsrichterleistung ist nicht zu akzeptieren. Ausgerechnet in einem Viertelfinal-Spiel werden wir Zeuge der schlechtesten Schiedsrichterleistung des gesamten Turniers. Schon vor dem Spiel hat Irans Trainer Carlos Queiroz gesagt, dass dieser Schiedsrichter nicht gut genug ist. Trotzdem hat der asiatische Fußballverband diesen Mann ein so wichtiges Spiel pfeifen lassen.“ Ähnlich äußert sich Siavash auf der Facebook-Präsenz von Deutsche Welle Farsi: „Es ist ein Skandal, dass Williams trotz seiner schlechten Leistungen in diesem Turnier so ein wichtiges Spiel pfeifen durfte.“ Der asiatische Fußballverband sei korrupt und anti-iranisch, ätzt Siavash.
Selbstkritik

Schon vor dem Spiel hatte Irans Trainer gesagt, dass der Schiedsrichter nicht "gut genug" ist!
Schon vor dem Spiel hatte Irans Trainer gesagt, dass der Schiedsrichter nicht „gut genug“ ist!

Doch nicht jeder macht den Schiedsrichter für das Ausscheiden des Iran verantwortlich. „Pooladis Aktion war höchst unprofessionell“, schimpft Bahman auf der Facebookseite von BBC-Farsi. „Wie kann man derart aggressiv zum Ball gehen und sich dann so theatralisch fallen lassen, wenn man bereits eine gelbe Karte gesehen hat?“, schreibt er weiter. Derselben Meinung ist PFDC-User HamidKhan: „Es ist dumm, in einer Situation so zum Ball zu gehen. Noch dümmer ist es, sich so fallen zu lassen, als wäre man von Mike Tyson persönlich niedergestreckt worden.“ Die Entscheidung des Unparteiischen sei alles andere als skandalös gewesen.
Manche iranischen Fußballfans weisen auf die spielerischen Mängel der iranischen Mannschaft hin: „Alles in allem haben wir sowohl in den Vorrundenspielen wie auch im Spiel gegen den Irak keine guten Leistungen abgeliefert. Wer so passiv spielt und nur reagiert, statt zu agieren, der darf sich nicht wundern, wenn er am Ende als Verlierer vom Platz geht – wenn auch die Niederlage im Elfmeterschießen heute etwas unglücklich war“, schreibt Pouriya auf der Facebookseite von BBC-Farsi.
„Es ist nicht so, als wären wir heute die spielbestimmende Mannschaft gewesen, die vom Schiedsrichter um den Einzug ins Halbfinale betrogen wurde. Fakt ist: Der Irak hatte häufigeren Ballbesitz, mehr Ecken und mehr Torschüsse. Wir haben es nicht verdient, weiterzukommen“, schreibt Morteza auf dem Nachrichtenportal Mehrnews. „Wir sollten uns darüber Gedanken machen, wie es sein kann, dass ein Land, das aktuell vom Islamischen Staat und Al-Kaida-Horden zerrissen wird, trotzdem in der Lage ist, ein Fußballspiel gegen uns zu gewinnen“, schreibt der Twitterer-Nutzer Masoud Nikkhah sichtlich enttäuscht.
Iraner feiern Team Melli
Zahlreiche Fans feiern das Team Melli aber auch dafür, dass es geschafft hat, sich trotz Unterzahl bis zum Elfmeterschießen zu retten: „Ich habe nach den irakischen Führungstoren nicht mehr geglaubt, dass unsere Spieler genügend Kraft und Moral haben, um den Ausgleich zu erzielen. Sie haben mich aber eines Besseren belehrt. Was für Kämpfer, was für Helden“, schwärmt Maral auf Radio Farda.
„Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Unsere Jungs haben wie Löwen gekämpft, aber es war einfach nicht ihr Tag“, schreibt Lorestani auf PFDC. Dem stimmt Arash123 zu: „Diese Spieler und das gesamte Trainerteam haben mich heute extrem stolz gemacht, obwohl wir ohne die Siegertrophäe nach Hause gehen. Aber alles, was ich wollte, war, nach dem Turnier mit Stolz erfüllt zu sein, und das bin ich heute.“ Auch Oftadeh schreibt: „Danke Carlos Queiroz (gebt ihm die iranische Staatsbürgerschaft). Dank auch an unsere Jungs für diese tolle Leistung heute.“
Wie beliebt der portugiesische Nationalcoach des Iran ist, sieht man auch an der Vielzahl der aufbauenden Botschaften auf dessen Facebook-Seite. Dort hoffen die iranischen Fußballfans auf den Verbleib Queiroz‘ bei der Nationalmannschaft.
Dutzende Festnahmen nach Privatpartys
"Verflucht seien sie dafür, dass sie den Menschen das Leben so schwer machen!“
„Verflucht seien sie dafür, dass sie den Menschen das Leben so schwer machen!“

In der vergangenen Woche sind in den beiden nordiranischen Städten Mashad und Amol mehrere junge IranerInnen verhaftet worden, weil sie auf privaten Partys getanzt und Alkohol konsumiert haben sollen, berichten staatliche Medien. Im Gottesstaat ist Alkoholgenuss per Gesetz untersagt. Ebenfalls strafbar ist der „unkeusche“ Kontakt zwischen unverheirateten Frauen und Männern. Im Internet reagierten die IranerInnen größtenteils empört auf die Nachricht von den Verhaftungen: „Diejenigen, die unschuldige Frauen mit Säure attackiert haben, laufen weiterhin frei herum. Aber wenn junge IranerInnen einfach nur Spaß am Leben haben wollen, werden unsere sogenannten Rechtshüter plötzlich aktiv“, so Ali auf der Facebook-Präsenz von Radio Farda. Ähnlich äußert sich Hamsaye Dr. Shariati auf dem Webportal Iranian UK: „Ich verstehe nicht, warum im Iran immer die Unschuldigen büßen müssen. Statt Partys zu stürmen und junge Menschen zu verhaften, sollten sich die Verantwortlichen um die Vielzahl von Korrupten kümmern, die unser Land in den Ruin treiben.“ Ein anderer User der Seite schreibt: „Wie Flöhe kleben Polizei und Paramilitärs an den IranerInnen. Verflucht seien sie dafür, dass sie den Menschen das Leben so schwer machen.“ „Hast du denn nicht mitbekommen, dass alle Probleme unseres Landes gelöst sind? Polizei und Paramilitärs führen solche Razzien nur aus purer Langeweile durch. Die Armen!“, antwortet Reza mit Sinn für Ironie.Zuspruch für Festnahmen
Einige IranerInnen jedoch begrüßen die Festnahmen: „Diese sogenannten Partys sind faktisch Bordelle. Und ihr redet davon, dass die jungen Leute lediglich in Ruhe feiern wollen“, schreibt etwa Seyyed Ghassem auf Radio Farda. Ein anderer Iraner schreibt auf der Webseite 20ist: „Ihr sagt, dass diese Leute nur ihren Spaß haben wollten. Schweinereien und Besäufnisse heißen jetzt also ‚Spaß haben‘? Wenn der Westen unseren Propheten karikiert und beleidigt, macht hier keiner den Mund auf. Aber wenn ein paar Prostituierte und Zuhälter festgenommen werden, kommt es zum Aufschrei?!“ Ein anderer anonymer User der Webseite schließt sich dieser Aussage an: „’Spaß haben‘ heißt jetzt also viel Haut zeigen und sündigen? Würdet ihr wollen, dass eure Schwestern auf solche Partys gehen?“, fragt er.
Frömmigkeit wegen Sex?

Andere User der Seite reagieren erbost auf derlei Aussage. So schreibt Ali Eshghi: „Keiner hat das Recht, sich in das Leben anderer Menschen einzumischen. Wie könnt ihr euch erlauben, die Inhaftierten als Prostituierte und Zuhälter zu bezeichnen?“ Ähnlich äußert sich Nikan: „Ihr wisst nichts über diese Leute und wagt es trotzdem, sie zu beschimpfen. Wo bitteschön steht in eurem Koran, dass ihr das Recht habt, Menschen, die anders leben und denken als ihr, derart anzugreifen?“ Ein anderer User geht zum Frontalangriff auf die konservativen Kommentatoren über: „Ihr wollt hier auf Erden fromm sein in der Hoffnung, dass ihr später im Jenseits mit so vielen Paradies-Frauen wie möglich Sex haben könnt. Also regt euch doch nicht auf, wenn andere schon im Diesseits ihren Spaß haben wollen.“
  JASHAR ERFANIAN